Der Rabbi schoss am Donnerstag
New York genommen, vielleicht sogar erst den um elf. Das habe ich oft genug erlebt. Jemand tut etwas, kann aber den Gedanken daran nicht ertragen. Also verdrängt er die Erinnerung daran und arrangiert seine Story so, dass es einfach nicht geschehen sein kann. Verstehen Sie? Wenn er uns sagt, er hätte den Bus um neun genommen, dann bedeutet das, dass er den Alten nicht um halb neun umgebracht haben kann. Aber den Rest der Story lässt er so, wie er ist, damit er sich besser erinnern kann.»
Lanigan musterte ihn neugierig. «Und Sie sind sicher, dass es so war?»
«Aber hören Sie! Man sieht doch gleich, dass er die Sorte Mensch ist, auf der jeder rumtrampelt. Nehmen Sie doch mal dieses Einschließen in seinem Zimmer. Bestraft man so einen normalen Achtzehnjährigen? Würde ein anderer sich das gefallen lassen? Und überhaupt, welcher Jugendliche in diesem Alter würde sich aufs Land zu einem alten Mann verfrachten lassen, damit seine Ma in Europa rumgondeln kann? Okay. Seinem Chef tut er Leid, und er fordert ihn auf, mit ihm in die Großstadt zu fahren. Diese Art Junge ist ganz verrückt nach Waffen. Sie verleihen ihm ein Gefühl der Macht. Nun demütigt ihn der Alte vor seinem Chef und schickt ihn auf sein Zimmer. Als Gore also geht und der Alte einschläft, klettert er aus dem Fenster. Aber er geht nicht geradewegs zum Bus. O nein, er schleicht zur Haustür und kommt herein. Und da liegt der Revolver auf dem Tisch. Er will ihn unbedingt in die Hand nehmen. Ich vermute, er hat ihn genommen und damit rumgespielt, und dann ist er losgegangen. Vielleicht hat er das Licht ausgeschossen, und es wurde dunkel im Zimmer. Jetzt weiß der Bengel, dass er in der Tinte sitzt, er bekommt Angst und schießt einfach weiter. Und als er wieder zur Besinnung kommt, ist der Alte tot. Also läuft er davon – nach Boston und dann nach New York.»
«Und warum ist er zurückgekommen?», fragte Lanigan.
«Wie gesagt, er hat diese Episode aus seiner Erinnerung gestrichen. Man könnte ihn von einem Psychiater hypnotisieren und sie wieder ans Licht holen lassen.»
«Was wollen Sie heute Nacht mit ihm anfangen, Hugh?», fragte Jennings. «Hier kann er nicht bleiben.»
«Nun, für diese eine Nacht, dachte ich, könnten wir ihm eine von unseren Zellen anbieten. Wenn wir ihm ein Hotelzimmer mieteten, würde die Gemeinde sicher nicht für die Unkosten aufkommen, und außerdem würde er, sobald sich die Nachricht herumspricht, von allen möglichen Leuten belästigt werden.»
«Das wird er ohnehin, wenn er am Montag wieder zur Arbeit geht», warnte Jennings.
«Ja, es sei denn … es sei denn … Hören Sie, Eban, ist eigentlich Tom Hegerty jetzt auf der Insel?»
«Seit dem Labor Day.»
«Ob der wohl einen Untermieter aufnimmt?»
«Einen Gehilfen würde er sicher nehmen.»
«Das ist noch besser. Sehen wir zu, was wir arrangieren können.» Er ging zu dem jungen Mann hinüber. «Hören Sie, Billy», sagte er, «Sie können heute Nacht hier nicht schlafen, weil wir hier arbeiten müssen. Für ein Hotelzimmer ist es zu spät, also wie wär’s, wenn Sie bei uns auf dem Revier schlafen würden?»
«Ja, natürlich. Ich möchte Ihnen keine Mühe machen.»
«Gut. Abgemacht. Also, ich möchte, dass Sie während der nächsten paar Tage die Stadt nicht verlassen, aber ich halte es für besser, wenn Sie vorläufig noch nicht wieder zur Bank gehen.»
«O Gott, nein! Ich möchte wetten, da würden dauernd Leute an meinen Schalter kommen und mich anstarren, als war ich ’n Monstrum.»
«Das macht mir auch Sorgen», sagte Lanigan. «Deswegen habe ich da eine Idee. Kennen Sie Children’s Island unten im Hafen?»
«Wo im Sommer das YMCA-Lager für Kinder ist? Da war ich noch nie.»
«Also, da wohnt Tom Hegerty und bringt das Lager für den Winter in Ordnung. Hätten Sie Lust, ihm ein bisschen dabei zu helfen, anstreichen, ein bisschen tischlern …»
«Tja, aber so was hab ich noch nie gemacht.»
«Spezialkenntnisse brauchen Sie nicht», beruhigte ihn Lanigan. «Sie werden ihm wahrscheinlich immer nur Sachen anreichen oder halten müssen, wenn er daran arbeitet, oder hier und da etwas holen.»
«Wenn ich das kann, macht es mir nichts aus. Ist wahrscheinlich ganz hübsch, auf ’ner Insel zu wohnen.»
«Gut. Dann wäre das erledigt. Ich arrangiere alles.»
Er kehrte zu den beiden anderen zurück und nickte zufrieden.
«Und was ist jetzt mit Miranda?», spöttelte McLure.
Lanigan sah ihn erstaunt an. «Was hat Miranda damit zu tun? Ich habe
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