Der Rabbi schoss am Donnerstag
müssen, dass sie sich entschlossen hat, eine Tante in Kanada zu besuchen. Postieren Sie einfach einen Beamten bei ihrem Haus. Ob sie was merkt, spielt keine Rolle. Es wäre sogar gut, wenn sie was merkt. Dann wird sie zweifellos unruhig und nervös. Also arrangieren Sie das jetzt, und dann können Sie wieder nach Hause gehen. Vor morgen können Sie mit der Befragung in der Bank ohnehin nicht anfangen.»
«Fahren Sie ebenfalls nach Hause?»
«Nein. Ich glaube, ich fahre noch mal zum Jordon-Haus und sehe mich ein bisschen um.»
51
Als der Rabbi auf dem Revier anrief, wurde ihm mitgeteilt, der Chief sei nicht da.
«Können Sie mir sagen, wo er ist?»
Der Diensthabende antwortete ausweichend: «Tja, also, Rabbi, ich weiß nicht so recht …»
Der Rabbi rief Lanigans Privatnummer an, und Mrs. Lanigan sagte: «Nein, Rabbi, hier ist er nicht. Ist es denn wichtig?»
«Sehr wichtig sogar.»
«Dann werde ich Ihnen wohl sagen müssen, wo Sie ihn erreichen. Er hat mir gesagt, er wolle sich noch mal in Jordons Haus umsehen.»
Als Lanigan die Tür öffnete und sah, wer sein Besucher war, zeigte er sich nicht allzu erfreut. «Ach, Sie sind das!», lautete seine Begrüßung. Aber dann fügte er hinzu: «Kommen Sie rein. Ich nehme an, ich bin Ihnen was schuldig für Ihre Hilfe bei Maltzman.»
Als der Rabbi das Wohnzimmer betrat, sah er sich neugierig um. Er deutete auf den Lehnsessel. «Hat man da den Toten gefunden?»
«Hm-hm.»
Er deutete auf die Uhr, die am Boden lag. «Und die Uhr?»
«Sie wurde da unten gefunden. Außer der Leiche ist nichts bewegt worden. Ursprünglich stand die Uhr dort auf dem Kamin. Sie wurde von einer Kugel getroffen und zu Boden geschleudert.» Er deutete auf verschiedene Dinge im Zimmer. «Ein zweiter Schuss hat das Porträt da mitten in den Mund getroffen. Ein weiterer die Glühbirne, wieder ein anderer den kleinen Knauf auf der Lampe, und einer hat das Pillenfläschchen da auf den Fußboden geworfen. Das stand, laut Martha Peterson, der Haushälterin, ursprünglich dort auf dem Tisch. Aber wenn Sie mich sprechen wollen, kommen Sie doch mit ins Esszimmer. Das benutze ich als Büro.»
Lanigan setzte sich an den Tisch, sammelte die Papiere ein, die er vor sich ausgebreitet hatte, und legte sie wieder in den Aktenhefter. Der Rabbi nahm auf der anderen Tischseite Platz. Die Ellbogen auf der Tischplatte, das Kinn auf die Hände gestützt, musterte Lanigan seinen Besucher und stellte fest: «Wie ich annehme, kommen Sie wegen Mrs. Mandell.»
«Ganz recht. Ist sie verdächtig?»
Lanigan schürzte die Lippen. «Kein Kommentar.»
«Wenn sie nämlich verdächtig ist», fuhr der Rabbi fort, «bin ich in einer ziemlich peinlichen Situation. Sehen Sie, Mrs. Mandell ist auf meinen Rat hin zu ihnen gekommen. Das heißt, sogar auf mein nachhaltiges Drängen hin.»
Lanigan überlegte. Der Rabbi war sein Freund, und als fair denkender Mann hielt er seine Bitte um Information für berechtigt. Außerdem, was konnte es schaden? Er konnte sich darauf verlassen, dass der Rabbi vertrauliche Auskünfte auch vertraulich behandelte.
«Na schön», sagte er schließlich. «Sie ist verdächtig.»
«Nur, weil sie an jenem Abend hier war?»
«Deswegen, und weil sie eben sie ist.» Er lächelte. «Kommen Sie noch mal mit rüber; ich zeige Ihnen, was ich meine.» Er ging voraus und blieb ungefähr fünf Meter vor dem Lehnsessel stehen. «Jordon lag in diesem Sessel und schlief wahrscheinlich. Unsere Ballistiker nehmen an, dass die Person mit der Waffe genau hier gestanden hat, wo ich jetzt stehe. Also, nehmen wir an, er schießt und trifft nicht. Ein Zweiundzwanziger macht nicht viel Lärm, aber in einem solchen Zimmer würde auch dieser Knall genügen, jemanden zu wecken, ganz gleich, wie tief er schläft. Jordon erwacht also. Wird er etwa liegen bleiben, während jemand vor ihm steht und auf ihn schießt? Natürlich nicht. Er wird versuchen, aufzustehen, davonzulaufen, sich zu verstecken – alles, bloß nicht liegen bleiben und auf den nächsten Schuss warten. Stimmt’s?»
«Bitte weiter.»
«Wir nehmen daher an, dass er vom ersten Schuss getroffen wurde. Aber die Kugel traf ihn mitten in die Stirn, deutlich sichtbar. Der Mörder muss sofort gewusst haben, dass er ihn getroffen hatte und dass er höchstwahrscheinlich tot war. Falls er jedoch nicht sicher war, wäre er zweifellos an ihn herangetreten und hätte noch einen Schuss auf ihn abgegeben. Aber nein, er bleibt hier stehen und schießt weiter, bis die
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