Der Rabbi schoss am Donnerstag
abzuliefern?»
«Das habe ich auch gefragt, Rabbi. Aber Gore meinte wohl, Hauptsache sei, dass der Bericht pünktlich da war.»
«Und dem Kriminalbeamten hat sie nicht mitteilen können, dass sie hingefahren war, weil Sie bei der Befragung anwesend waren?»
«Genau. Sie wollte ihn später aufsuchen und ihm alles sagen, aber Sie wissen ja, wie das so geht: Sie hat es immer wieder aufgeschoben.»
«Weiß sie, dass es ihre Mutter war, die Ihnen erzählt hat, dass sie an dem Abend weggefahren ist?»
«N-nein. Sie denkt, es war Stanley, weil ich gerade aus der Synagoge gekommen war, von der Vorstandssitzung, wissen Sie …»
«Wieso Stanley?»
«Weil sie glaubte, seinen Wagen gesehen zu haben, als sie in Jordons Einfahrt einbog, und da hat sie natürlich angenommen, dass er sie gesehen hat. Und ich habe nicht widersprochen.»
«Aha. Und was soll ich jetzt tun?»
«Na ja, ich dachte, nachdem Sie Chief Lanigan doch so gut kennen, könnten Sie es ihm vielleicht erklären.» Eifrig fragend sah er den Rabbi an.
«Nein, Mr. Mandell. Sie müssen einsehen, dass ich das nicht tun kann. Chief Lanigan würde ihre Frau trotzdem vernehmen müssen. Das ist seine Pflicht. Und im Endeffekt würde ein Versuch von mir, Ihnen den. Weg zu ebnen, ihn höchstens misstrauisch machen.»
«Was sollen wir dann aber tun?»
«Ich würde Ihnen raten, Mr. Mandell, mit Ihrer Frau zusammen so bald wie möglich zu Chief Lanigan zu gehen, heute Nachmittag oder jetzt gleich, wenn Sie Zeit haben, und ihm die ganze Geschichte so zu erzählen, wie Sie sie mir erzählt haben. Wahrscheinlich wird er ärgerlich sein, weil Sie so lange damit gewartet haben, aber je länger Sie jetzt noch warten, desto unangenehmer wird es für Sie sein. Und wenn er es von anderer Seite erfährt, könnte es sogar sehr ernst für Sie werden.»
Etwas später, als Miriam merkte, dass der Rabbi ungewöhnlich geistesabwesend war, fragte sie ihn: «Machst du dir Gedanken über die Mandells, David? Glaubst du, Lanigan wird sie ziemlich hart rannehmen?»
«Das glaube ich auf jeden Fall, und wenn er’s nur tut, um ihnen zu zeigen, dass man der Polizei in einem Mordfall keine Informationen vorenthalten darf. Aber das ist zum größten Teil nur gespielt, weil er genau weiß, dass das immer wieder geschieht. Er hat mir mehr als einmal erklärt, dass das bei der Polizei zum täglichen Brot gehört. Nein, was mir Sorgen macht, ist vielmehr, dass Mrs. Mandells Story anscheinend beweist, dass sich Stanley zum kritischen Zeitpunkt in der Nähe von Jordons Haus befand. Möglicherweise entschließt sich Lanigan, dieser Spur zu folgen und ihn zu verhaften.»
«Aber er ist doch unschuldig …»
«Wahrscheinlich wird er letzten Endes davonkommen. Bis dahin aber werden sie ihm das Leben schwer machen. Sie könnten folgern, wenn sie seinen Wagen erkannt hat, müsste er den ihren ebenfalls erkannt haben, und weil er ihnen das verschwiegen hat, sei das ein Zurückhalten von wichtigen Informationen.»
«Aber Mr. Mandell hat es doch gar nicht von Stanley erfahren. Seine Mutter hat ihm gesagt, dass Molly das Haus verlassen hat.»
«Sicher. Aber das wird Mr. Mandell nicht zugeben wollen, denn seine Frau wird dabei sein, und er will nicht, dass sie es erfährt. Irgendwie finde ich das alles Stanley gegenüber furchtbar unfair.»
Zwei Stunden später jedoch erhielt der Rabbi einen Anruf, der ihm bewies, dass seine Befürchtungen grundlos waren. Es war Herb Mandell. Und er war wütend und anscheinend ein bisschen verängstigt. Das merkte man an seinem sarkastischen Ton. «Ich danke Ihnen vielmals für Ihren Rat, Rabbi! Wir haben getan, was Sie uns vorgeschlagen haben. Lanigan hat Molly über eine Stunde lang ausgefragt. So lange, bis sie in Tränen ausbrach. Aber das ist noch nicht alles. Er verlangt, dass sie die Stadt nicht verlässt. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass sie nun zu den Verdächtigen zählt und dass ihr auf Schritt und Tritt Polizisten folgen.»
«Oh, aber doch nicht …»
«Nein? Nun, vor ein paar Minuten habe ich zum Fenster hinausgesehen und festgestellt, dass in unserer Straße, schräg gegenüber von unserem Haus, ein Wagen mit zwei Polizisten parkt. Und ich möchte wetten, dass in der Francis Street auch einer steht, damit sie sehen können, ob einer von uns zur Hintertür hinausgeht.»
«Sie müssen sich irren, Mr. Mandell. Gewiss, Chief Lanigan wird sie in der Nähe haben wollen, damit er sie jederzeit zu einer Aussage holen kann. Wenn Sie wollen, setze ich mich
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