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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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mitzubringen, aber jedesmal vergaß er es. Er stellte sich eine heimliche Gemeinde von pelzigen oder gefiederten Wesen vor, die um ihn hockten und ihn mit im Dunkel glühenden Augen ansahen, während er ihnen das Wort Gottes predigte, eine Art jüdischer Franz von Assisi in Pennsylvania.
    Der große Felsen trug nun einen Schneehöcker, der immer größer wurde, je länger der Winter währte. Mit dem Nahen des Frühlings schwand er dahin, und im selben Zeitraum wuchs Leslies Leib, bis schließlich der Schnee auf dem Felsen fast zur Gänze geschmolzen und ihr Leib prall war zum Bersten. Michael verfolgte beide Phänomene als ihr persönliches Wunder.
    Sieben Tage nachdem der Schnee auf dem Felsen ganz verschwunden war, kehrten Maschinen und Mannschaft auf den Abhang zurück und nahmen die Arbeit am Tempel wieder auf. Die langwierige und mühsame Arbeit der Grundsteinlegung bedeutete für Michael eine wahre Folter des Wartens, verschärft durch die Erinnerung an die Enttäuschung, die Pater Campanelli in San Francisco beim Anblick seiner endlich vollendeten Kirche erlebt hatte. Doch konnte man von Anfang an sehen, daß hier ein schönes Bauwerk im Entstehen begriffen war und daß Michael keine Enttäuschung bevorstand.
    Di Napoli hatte sich der herben Kraft des Betons bedient, um die Erinnerung an die harte Pracht der frühesten Tempel wachzurufen.
    Die Wände des Heiligtums im Inneren waren aus porösen roten Ziegeln; um die bema liefen sie in ein Halbrund aus, das der Akustik förderlich war. »Sagen Sie Ihren Leuten, sie sollen die Wände abtasten, um ihre Textur zu spüren«, sagte der Architekt zu Michael.
    »Diese Art Ziegel braucht die Berührung, um lebendig zu werden.«
    Er hatte vergoldete Kupfernachbildungen der Gesetzestafeln entworfen, die über der Bundeslade aufgerichtet werden sollten, vom Ewigen Licht bestrahlt vor dem dunklen Hintergrund des Steins. Die Klassenzimmer der Hebräischen Schule im Oberstock waren mit warmen israelitischen Pastellen geschmückt, Räume in sanften, freundlichen Farben. Die Außenwände bestanden aus verschiebbaren Glasplatten, so daß Licht und Luft ungehindert eindringen konnten; nur ein Gitter aus schmalen Betonplatten schützte die Kinder vor dem Hinunterfallen und zugleich vor dem blendenden Sonnenlicht.
    Ein nahe gelegener Bestand von hohen alten Föhren wurde zu einem Hain der Besinnung, und Di Napoli hatte auch eine ssuke vorgesehen, die hinter dem Tempel nicht weit von dem großen Felsen errichtet werden sollte.
    Harold Elkins, der im Begriff stand, mit seiner nunmehr braunhaarigen Frau eine zweite Hochzeitsreise ans Mittelmeer zu unternehmen, teilte zuvor noch mit, er hätte einen Chagall erworben, der dem Tempel zugedacht sei.
    Die Damen der Gemeinde schmiedeten bereits Pläne für eine Finanzierungskampagne in eigener Regie: sie wünschten sich eine Lipchitz-Bronze für den neuen Rasen.
    Nach einem Minimum an höflichem Handeln wurde der alte Tempel für fünfundsiebzigtausend Dollar an die Knights of Columbus verkauft; Käufer wie Verkäufer waren von der Transaktion höchst befriedigt.
    Der Verkauf hätte dem Baufonds einen Überschuß einbringen sollen, aber das Komitee sah sich der traurigen Tatsache gegenüber, daß zwischen den Beträgen, die dank Archibald S. Kahners' Tätigkeit gezeichnet worden waren, und jenen, die tatsächlich eingingen, beträchtliche Differenzen bestanden. Wiederholte Mahnungen zeitigten nur geringen Erfolg bei jenen, die nicht sofort bezahlt hatten.
    Schließlich wandte sich Sommers an den Rabbiner. Er überreichte ihm eine Liste jener Familien, die ihre Spendenbeiträge nicht bezahlt oder überhaupt keine Spenden gezeichnet hatten. »Vielleicht könnten Sie diese Leute besuchen«, bemerkte er. Michael betrachtete die Liste, als gäbe sie ihm ein schwieriges Problem auf. Sie war ziemlich lang. »Ich bin Rabbiner, kein Wechseleintreiber«, sagte er schließlich.
    »Gewiß, gewiß! Aber vielleicht könnten Sie das in Ihre Seelsorgebesuche einbauen, nur damit die Leute wissen, daß der Tempel sich ihrer Existenz erinnert. Ein diskreter Wink...«
    Sommers winkte seinerseits. Schließlich hatte Michael seine Berufung an den Tempel Emeth in erster Linie einem Aufsatz zu verdanken, in dem er sich als bausachverständiger Rabbiner ausgewiesen hatte. Nun brauchten sie seine Hilfe bei der Realisierung des Bauvorhabens.
    Er behielt die Liste.
    Der erste Name war Samuel A. Abelson. Als er dort vorsprach, fand er vier Kinder, von denen zwei

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