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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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zwanzig Ehejah-ren.«
    Sie hörten, wie die Mutter das Geschirr abstellte und auf Michaels Zimmer zukam. »Abe?« rief sie. »Abe, ist er wach? Wie geht's ihm?« Sie riß die Tür auf und trat hastig ein, ein fettes Weib mit schwabbelnden Brüsten, plumpen Gelenken und lächerlich rotem Haar. Ihr bloßer Anblick machte alles noch schlechter.
    Michael drehte das Gesicht zur Wand.

8
    Im Apartment gegenüber wohnte Miriam Steinmetz. An einem Abend im Frühling während seines letzten Studienjahres an der High School of Science lagen er und Mimi nebeneinander auf dem dicken Teppich des Steinmetzschen Wohnzimmers und gingen die Stellenangebote für Ferialpraktikanten in The New York Times durch.
    »Wär's nicht nett, wenn wir etwas im selben Ort finden könnten?«
    fragte Mimi.
    »Und ob! «
    In Wirklichkeit graute ihm schon vor dem bloßen Gedanken daran.
    Wohl hatte er in diesem Sommer einen Ortswechsel nötig, aber noch wichtiger war es, auch die Leute zu wechseln, neue Gesichter zu sehen, fremde, die er nicht kannte. Mimis Gesicht, so hübsch und lebhaft es auch war, gehörte nicht dazu. Die Familie Steinmetz hatte schon im Apartment 3-D gewohnt, als Michaels Familie in 3-C
    eingezogen war, und Mimi hatte den Nachbarssohn im großen und ganzen ignoriert, bis er mit sechzehn einer Einladung folgte, der Mu Sigma Fraternity seiner Schule beizutreten. Sie war Jota-Phi-Mitglied, und die Vorteile der Verbindung waren so offensichtlich, daß sie sich mit ihm anfreundete. Sie lud ihn zu den Tanzabenden ihrer Sorority ein, und er führte sie zu den Tanzabenden seiner Fraternity, und nachher kam es gelegentlich zu fast asexuell zufälligen Zärtlichkeiten.
    Leider kannte er Mimi besser als seine Schwester Ruthie - und das war für ihre Beziehung nicht von Vorteil. Er hatte Mimi mit frischgewaschenem Haar gesehen - sie wirkte wie eine gebadete Maus
     
    -, mit dick eingecremtem Gesicht in erbittertem Kampf gegen Akne, mit einem Fuß in dampfendem Wasser, um eine Eiterung an der Zehe zu kurieren. Es war ihm unmöglich, eine Kleopatra in ihr zu sehen und sich als ihr Mark Anton zu fühlen. Nicht der leiseste Hauch von Geheimnis war geblieben, um solche Phantasie zu nähren.
    »Das klingt ganz gut«, sagte sie.
    Es war die Anzeige eines Hotels in den Catskills, das Küchen-hilfspersonal suchte. Unmittelbar darunter gab es ein Inserat, das Michael mehr interessierte: ein Etablissement, das sich The Sands nannte - in der Nähe von Falmouth, Massachusetts -, suchte gleichfalls Küchenhelfer.
    »Schreiben wir beide dorthin, magst du?« fragte Mimi. »Wäre doch nett, den Sommer in den Catskills zu verbringen.« »Okay«, sagte er.
    »Schreib dir die Anzeigennummer auf, und ich nehme die Zeitung mit.«
    Sie kritzelte die Chiffre auf einen Block beim Telephon, dann küßte sie Michael flüchtig auf den Mund. »Mir hat er Spaß gemacht, der Film.«
    Michael fühlte sich aus Gründen der Galanterie verpflichtet, die Initiative zu ergreifen. Er versuchte, sie mit so viel Hingabe zu küssen, wie sie Clark Gable soeben im Film an Claudette Colbert demonstriert hatte. Unwillkürlich verirrte sich seine Hand in ihren Pullover. Sie leistete keinen Widerstand. Ihre Brüste waren wie kleine Kopfkissen, die sich eines Tages zu großen Kopfkissen auswachsen würden.
     
    »Die Szene in dem Motel, wo sie die Decke zwischen den Betten aufgehängt haben, die war großartig! « flüsterte sie ihm ins Ohr.
    »Würdest du mit einem Jungen schlafen, wenn du ihn liebst?«
    Einen Augenblick lang dachte sie schweigend nach.
    »Meinst du bei ihm oder mit ihm schlafen?«
    »Mit ihm schlafen.«
    »Ich glaube, es wäre sehr dumm. Sicher nicht, bevor ich verlobt wäre... Und auch dann - warum nicht lieber warten?«
    Zwei Minuten später öffnete er die Tür zur Wohnung seiner Eltern.
    Leise, um die Familie nicht zu wecken, holte er Feder und Briefpapier heraus und schrieb eine Bewerbung an The Sands. Ein Wagen erwartete ihn an der Busstation in Falmouth. Der Fahrer war ein wortkarger weißhaariger Mann, der sich Jim Ducketts nannte.
    »Hab dich schon beim andern Bus gesucht«, sagte er vorwurfsvoll.
    The Sands war ein Strandhotel, ein weitläufiges weißes Gebäude, umgeben von breiten Terrassen mit Blick auf Park und Privatstrand.
    Im hintersten Winkel des Hotelgeländes stand die Schlafbaracke für das Aushilfspersonal. Ducketts wies auf ein altersschwaches eisernes Feldbett.
    »Deines«, sagte er und ging grußlos hinaus.
    Die Baracke bestand aus rohen

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