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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Im Aufzug küßten sie einander, und als Lucille den Mund öffnete, spürte Michael Zwiebelgeschmack auf ihrer Zungenspitze.
    Maury holte eine Flasche Scotch aus einem Wandschrank, und nach zwei Glas trennten sich die Paare. Maury ging mit seinem Mädchen in das elterliche Schlafzimmer, als solches kenntlich an dem großen Doppelbett, während sich Michael mit Lucille auf der Couch im Wohnzimmer einrichtete. Er bemerkte ein paar Mitesser auf ihrem Kinn. Lucille hob das Gesicht, seinen Kuß erwartend. Nach einer Weile knipste sie das Licht aus.
    Aus dem Nebenzimmer hörte man Silversteins Keuchen und das Gekicher des Mädchens.
    »Jetzt, Lucille?« rief Stella.
    »Noch nicht«, gab Lucille etwas gereizt zur Antwort.
    Er ertappte sich bei Gedanken an andere Frauen, an Edna Roth, an Mimi Steinmetz, selbst an Ellen Trowbridge. Während der ganzen folgenden Prozedur lag sie reglos, summte nur nasal vor sich hin. April in Paris, dachte er wirr, während er sich auf ihr abplagte. Als es vorüber war, blieben sie im Halbschlaf liegen, bis Lucille sich unter ihm hervorwand.
    »Fertig! « rief sie fröhlich und ging nackt hinüber ins Schlafzimmer, das Stella im selben Augenblick verließ. Michael verstand plötzlich, daß die präzise Ausführung dieser Szene das Resultat langer, auf vielen ähnlichen Parties erworbener Übung war. Der Personenwechsel erregte ihn von neuem. Als aber die kleine, dickliche Stella zu ihm kam, berührte er eine teigige Haut, und was ihn einhüllte, war ein Geruch nicht nach Frau, sondern nach ungewaschenem Körper; plötzlich spürte er, daß er nicht mehr konnte.
    »Wart einen Augenblick«, sagte er. Seine Kleider lagen hingeworfen auf dem Teppich am Fußende der Couch. Er hob sie auf und ging behutsam durch die dunkle Wohnung bis ins Vorzimmer; dort zog er sich eilig an und nahm sich nicht einmal mehr die Zeit, seine Schuhbänder zu knüpfen.
    »Hey! « rief ihm das Mädchen nach, als er die Wohnung verließ. Er fuhr im Aufzug hinunter und kehrte dem Haus eilig den Rücken. Es war zwei Uhr morgens. Erst nach einem Fußmarsch von einer halben Stunde fand er ein Taxi und stieg ein, obwohl er da nur mehr zwei Straßen von seiner Wohnung entfernt war.
    Zum Glück schliefen seine Eltern, als er nach Hause kam. Im Badezimmer putzte er sich ausführlich die Zähne und duschte sehr heiß und mit großem Seifenverbrauch.
    Ihm war nicht nach Schlafen zumute. In Pyjama und Schlafrock schlich er aus der Wohnung und stieg leise wie ein Dieb die Dachstiege hinauf.
    Auf Zehenspitzen, um die Waxmans nicht zu wecken, die die Mansarde bewohnten, betrat er das Dach und setzte sich hin, den Rücken an den Schornstein gelehnt.
    Der Wind schmeckte nach Frühling. Der Himmel war übersät mit Sternen, und Michael lehnte den Kopf zurück und betrachtete sie, bis der Wind seine Augen tränen machte und die weißen Lichtpunkte vor seinem Blick zu kreisen und zu verschwimmen begannen. Das konnte nicht alles sein, dachte er. Maury hatte die Mädchen Ferkel genannt, aber wenn man es so betrachten wollte, dann hatten auch Maury und er sich wie Ferkel benommen. Er gelobte sich, daß es nie wieder Sex ohne Liebe für ihn geben sollte. Die Sterne waren ungewöhnlich hell. Er rauchte und beobachtete sie und versuchte sich vorzustellen, wie sie wohl aussahen ohne die Konkurrenz der Lichter einer Stadt. Was hielt sie dort oben, fragte er sich, und dann kam automatisch die Antwort: vage Erinnerungen an Masseanziehung, Schwerkraft, erstes und zweites Newtonsches Gesetz. Aber da gab es so viele tausende Sterne, ausgestreut über so unendliche Räume, und sie zogen so beständig ihre Bahn und bewegten sich so präzis wie Teile eines riesigen, großartig konstruierten Uhrwerks. Die Gesetze aus dem Lehrbuch reichten nicht aus, es mußte noch etwas geben, sonst, meinte Michael, wäre diese herrlich ineinandergreifende Vielfalt für ihn sinnlos und ohne Gefühl, wie Sex ohne Liebe. Er entzündete eine neue Zigarette an der abgerauchten und warf den noch glühenden Stummel über den Dachrand. Er fiel wie eine Sternschnuppe, aber Michael merkte es nicht.
    Den Kopf zurückgeneigt, stand er da und sah auf zum Himmel und versuchte, etwas zu erkennen, fern, jenseits der Sterne.
    Als er am Nachmittag dieses Tages die Shaarai-Shomayim-Syn a goge betrat, saß ein alter Mann bei Max Gross an dem mit Büchern bedeckten Tisch und sprach leise mit dem Rabbi. Michael setzte sich in einen der hölzernen Klappstühle in der letzten Reihe und wartete

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