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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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her sägte, schienen die roten Augen anklagend auf ihn gerichtet. Aber schließlich fiel der Kopf zu Boden, und Michael führte das Messer an Rücken und Brust entlang. Die Filets, die er auf diese Art zustande brachte, waren zwar nicht ganz formvollendet, aber immerhin Filets. Er spülte sie am Brunnen ab und trug sie in die Hütte.
    »Sie sehen etwas bleich aus«, sagte Leslie.
    Bobbys Mutter hatte den Fisch in Ei und Paniermehl getaucht und ihn dann in Pflanzenfett gebraten. Hier gab es weder Eier noch Pflanzenfett, aber Michael fand Paniermehl und eine Flasche Olivenöl. Er hatte seine Zweifel wegen der Veränderungen am Rezept, aber der fertige Fisch sah aus wie direkt aus Ladies Home Journal. Leslie sah und hörte ihm aufmerksam zu, als er die brache sagte. Die Bohnen waren gut, und der Fisch war zart und köstlich, und Michael fand selbst die sonst verabscheuten Zucchini schmackhaft, die Leslie aus eigenem Antrieb geöffnet und gewärmt hatte. Zum Dessert öffneten sie eine Dose Pfirsiche und tranken den Saft.
    »Wissen Sie, was ich jetzt gern täte?« »Nun?«
     
    »Ihr Haar schneiden.«
    »Und was sonst noch?«
    »Nein, wirklich. Es wäre so dringend nötig. So wie Ihre Haare jetzt aussehen, könnte jemand, der Sie nicht kennt, glauben, Sie sind... na, Sie wissen schon.«
    »Ich weiß gar nichts.«
    »Schwul.«
    »Sie kennen mich doch auch nicht - fast nicht. Woher wissen Sie, daß ich nicht schwul bin?«
    »Ich weiß es eben«, sagte sie und neckte ihn weiter mit seinen langen Haaren, bis er nachgab und einen von Stan Goodsteins Ahornstühlen hinaus vor die Hütte trug. Es war warm in der Sonne, er zog sein Hemd aus, und sie holte die Schere und begann an seiner Frisur herumzuschnipseln. Plötzlich schnupperte er und fragte ärgerlich:
    »Um Himmels willen, haben Sie die Schere nicht abgewaschen? Die ist doch voll Fisch.«
    Er wollte die Sache sofort aufgeben, aber sie ging schon zum Brunnen und spülte die Schere ab und trocknete sie an ihrem straffgespannten Hosenboden, und er dachte: Noch nie im Leben war ich so fröhlich wie heute.
    Er lehnte sich wieder in seinen Stuhl zurück und schloß die Augen und genoß die Wärme und hörte dem Geklapper der rostigen Schere zu.
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar«, sagte das Mädchen.
    »Wofür?«
    »Ich habe auf Ihren Kuß reagiert - sehr intensiv sogar.«
     
    »Ist das so außergewöhnlich?«
    »Für mich ist's außergewöhnlich - seit dem letzten Sommer. Ich hatte da so eine Affäre ...«
    »Nicht! « Er beugte sich vor, so daß sie mit dem Haarschneiden aufhören mußte. »Sie werden mir doch nicht im Ernst solche Geschichten erzählen wollen.«
    Sie faßte nach seinen Haaren und zog seinen Kopf nach hinten.
    »Doch, ich will. Ich habe mit niemandem darüber sprechen können -
    jetzt kann ich. Hier ist es ungefährlich - es hätte sich gar nicht besser treffen können. Sie sind Rabbiner und ich bin ... eine schiks se, und wir werden einander wahrscheinlich nie wiedersehen. Das ist noch besser als eine Beichte bei den Katholiken - ich muß nicht zu einem unbekannten Pfarrer reden, der hinter dem Beichtstuhlgitter versteckt ist, ich kenne den Menschen, zu dem ich spreche.« Er ergab sich und hielt still, während die Schere klapperte und die abgeschnittenen Haare auf seine nackten Schultern fielen.
    »Es war ein Student aus Harvard, den ich nicht einmal gern hatte. Er heißt Roger Phillipson, seine Mutter ist eine Schulkollegin meiner Tante, und wir gingen ein paarmal zusammen aus, nur um darüber nach Hause schreiben zu können und ihnen eine Freude zu machen.
    Und dann habe ich mit ihm geschlafen, in seinem Auto, nur ein einziges Mal. Ich wollte einfach wissen, wie es ist. Es war scheußlich.
    Es war überhaupt nichts. Seither hat es mir keine Freude mehr gemacht, wenn ein Mann mich küßte - ich konnte nichts mehr spüren. Das hat mir Sorgen gemacht. Aber als Sie mich küßten, vorhin, als ich den Fisch erwischte - da habe ich es gespürt.«
     
    »Freut mich«, sagte er und fand ihre Mitteilung schmeichelhaft und peinlich zugleich. Sie schwiegen beide.
    Dann sagte sie: »Jetzt mögen Sie mich nicht mehr so sehr wie vorher.«
    »Nein, es liegt nicht an dieser Geschichte. Ich fühle mich nur einfach wie ein Versuchsobjekt, das die richtige Reaktion hervorgerufen hat.«
    »Verzeihen Sie«, sagte sie. »Seit das passiert ist, habe ich mir gewünscht, es jemandem erzählen zu können. Ich war mir selbst so widerwärtig und so traurig darüber, daß ich meiner

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