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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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stumpfen, rötlichen Ton. Dann betastete er ihn, um auch etwaige Verletzungen unter den Haaren zu erfühlen, fand jedoch nichts Ungewöhnliches. Schließlich fuhr er mit einem hölzernen Spatel in die Öffnungen der Nase und des Mundes. Dort machte er eine Entdeckung, die ihn veranlasste, die Kiefer weiter auseinander zu biegen.
    »Blut. Er hat den Mund voller verklumptem Blut.« Dann zog er etwas mit einer Pinzette hervor. »Und diese Stoffreste hier.«
    Ich überwand meinen Widerwillen und trat näher heran. »Meinst du, er wurde geknebelt?«
    Er antwortete, ohne den Blick von dem Toten zu nehmen. »Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Dafür sind die Fetzen zu winzig und jede Druckstelle fehlt.«
    Er stocherte noch ein wenig in dem offenen Rachen herum und holte geronnenes Blut heraus. »Hm, ich bin mir sicher, dass dieses Blut daher stammt, dass er sich selbst die Zunge durchgebissen hat. Durch einen Krampf, durch zu große Schmerzen, wer weiß? – Vergiftet worden ist er jedenfalls nicht.«
    »Hat er auch Blut an seinem Hinterkopf?«
    »Wenn Ihr es genau wissen wollt, sollten wir ihn besser herumdrehen.«
    Ich riss mich nicht darum, dabei behilflich zu sein. »Beende lieber erst die Untersuchung der Vorderseite.«
    Damit verschaffte ich mir nur eine kurze Galgenfrist, denn nach wenigen Minuten sagte Wilken: »Da ist absolut nichts Ungewöhnliches festzustellen. Keine Merkmale, die für eine Fesselung, Knebelung oder sonstige Gewalteinwirkung sprechen. Keine Blutergüsse, keine Beule am Kopf. Und, wie ich schon sagte, kein Gift. – Also, wenn ich Euch darum bitten darf, fasst mit an!«
    Wohl oder übel musste ich ihm helfen, war dabei aber stets darauf bedacht, immer das Laken zwischen der Haut des Toten und meiner zu haben. Dann zog ich mich fröstelnd wieder in meine Ecke zurück.
    Der Bader nahm die Rückseite der Leiche mit der gleichen Sorgfalt in Augenschein wie die Vorderseite. Dann schien er auf etwas Merkwürdiges gestoßen zu sein und die Runzeln auf seiner Stirn, reliefartig hervorgehoben durch den unsteten Schein der Leuchter, wurden unübersehbar. »Hm, seid so gut, tretet ein wenig näher und seht selbst!« Dabei spreizte er die Gesäßhälften mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand, während er mit der rechten auf den After des Toten wies. »Hier gibt es etliche Narben von Wunden, die geblutet haben müssen. Aber die sind alle alt, mindestens viele Monate.«
    Mein Gedanke an den fetten Franz und seine Reaktion auf mein mögliches Versagen ließen mich meine Abscheu überwinden und nähertreten. Was Wilken meinte, waren kleine vernarbte Risse, die sternförmig von der Körperöffnung ausgingen.
    Ihr mögt es mir vielleicht nicht abnehmen, meine skeptischen Freunde, aber auch ich besitze in meinem Innersten eine Grundhaltung, die der Schönheit und Eleganz zugewandt ist. Mag sein, dass dieser Teil meines Charakters nicht der ausgeprägteste ist, aber es gibt ihn. Daher habe ich mich zeitlebens nie mit dieser Körperregion meiner Mitmenschen näher befasst und auch meine nach Kräften vor der Allgemeinheit verborgen gehalten. Doch hat, namentlich auf diesem Gebiet, mich das Aufwachsen in einem Kloster gelehrt, dass man ein Faktum nicht dadurch aus der Welt schaffen kann, dass man es totschweigt oder verleugnet.
    So wusste ich gleich, wie es zu Lebzeiten um Conrad bestellt war. In diesen frommen Diener des Bischofs war im Laufe der Jahre mehr hineingefahren als nur der Heilige Geist. Auf den Teufel war ja schon Wilken verfallen und mir fielen noch ein paar andere Varianten ein. »Verstehst du nicht, was diese alten Vernarbungen bedeuten, mein kluger, lebenserfahrener Medicus? Unser Freund hier war ein Sodomiter.«
    Wilken zuckte zurück, als hätte er ein glühendes Eisen angefasst. »Gott sei seiner Seele gnädig, das kann nicht Euer Ernst sein! Wäre es bekannt geworden, man hätte ihn bei lebendigem Leibe verbrannt. Ein Diener des Bischof ein Sodomiter? Das kann nicht sein!«
    »Ach, du Tagträumer, was glaubst du wohl, wie viele hohe Kirchenmänner, die so gerne die Scheiterhaufen entfachen, selber Sodomiter sind? Was glaubst du, wie viele fratres hinter den Klostermauern diesem Laster frönen, wenn sie gerade mal nicht beten oder singen. Ich habe es mit eigenen Ohren des Nachts gehört, wie die Brüder nicht nur aus Frömmigkeit jubiliert haben. – Die Sache hier ist eindeutig. Nur, was bringt es uns? – Wenn du soweit bist, lass uns hier verschwinden.«
    Ich war der Überzeugung, dass

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