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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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dasselbe, jedoch sehr viel blumiger und auf Latein. Sein Lehrling und die Fremdlinge blieben stumm und reichten mit ihrem Köpfeschütteln nicht an die Meisterschaft des Händlersohns heran.
    Am wenigsten hatten die Landsknechte mit Conrad zu tun gehabt. Der vorsichtige Burmann hatte die günstige Gelegenheit genutzt und die beiden Reisegefährten gegen guten Lohn angeheuert, nachts das Lager zu bewachen, was sie geschickterweise so angingen, dass sie sich ein wenig abseits im Gebüsch aufhielten und von dort die Umgebung observierten. Entsprechend ermüdet verdösten sie die meiste Zeit des Tages im Sattel.
    Schließlich war ich froh, ihnen allen entrinnen und mich der schweigsamen Gesellschaft des Toten widmen zu können. Zu meinem Gastgeber gewandt sagte ich: »Wenn Ihr nun freundlichst den Medicus holen lassen würdet. Es ist Zeit, die Leiche zu examinieren.«
    Der Bader, der uns unten in der Halle erwartete, wurde von allen nur Wilken gerufen. Eine rundgesichtige, bartlose, unauffällige Erscheinung unbestimmbaren Alters, die gleichermaßen Vertrauenswürdigkeit wie Sachkunde ausstrahlte.
    Wilken und ich legten den Weg zur Mühle zu Fuß zurück. Wir mussten dabei an dem kleinen Holzverschlag vorbei, der mir schon bei unserer Ankunft aufgefallen war. Die bunten Flecken entpuppten sich aus der Nähe als jeweils paarweise an die Außenwände gehängte Kuhhörner, in die man bunte Blumen gepflanzt hatte. Zwar war es noch früh im Jahr, doch war es dem Mädchen gelungen, etliche Pflanzen aufzutreiben, die auch zu dieser Zeit in kräftigem Rot und Gelb, vereinzelt sogar in Blau erstrahlten. An einer Stelle sah ich ein einzelnes Horn. Sein Gegenstück lag darunter auf dem Boden. Jetzt verstand ich auch endlich, was die kleine Ilse gemeint hatte.
    Als hätte es meine Gedanken lesen können, kam das Mädchen aus der Hütte heraus und fragte nach der Begrüßung: »Seid Ihr wegen des toten Mannes oder wegen meines Horns gekommen?«
    »Wegen des toten Mannes.« Und weil mir mein schlechtes Gewissen keine Ruhe ließ, fügte ich hinzu: »Aber ich verspreche dir, ich werde mich auch noch um dein Horn kümmern, wenn ich alles andere erledigt habe. – So, jetzt komm und zeig uns den Weg.«
    An der Tür der Mühle erwartete uns bereits Ilses Vater, der uns auf meine Bitte hin direkt in den Keller zu Conrads Leiche führte. Er war so vorausschauend gewesen, zwei Leuchter aufzustellen, die er nun eilig entzündete, sodass ihr flackerndes Licht unsere verzerrten Schatten als fremde Wesen über die Mauern tanzen ließ. Die Wände waren nass vom Sickerwasser und die in den Ecken wuchernden Moosplatten schienen wie augenlose, pelzige Tiere, die aus ihren schleimigen Höhlen krochen. Es herrschte eine klamme Kälte, die gleichermaßen den Leib wie das Gemüt umfing.
    Der Tote war auf drei Planken aufgebahrt, die man über hölzerne Böcke gelegt hatte. Er war vollständig in Tücher gehüllt. Als der Müller auf meine Aufforderung hin gegangen war, machte sich Wilken an die Arbeit. Ich nahm mir die Freiheit, mich ein wenig abseits zu halten. Zwar hatte ich selbst genug Menschen zu dem Schicksal verholfen, das nun der arme Conrad mit ihnen teilte, und hatte längst ein anderes Verhältnis zum Tod, als man es mich im Kloster gelehrt hatte. Doch waren das stets, wenn Ihr mir den Ausdruck verzeihen wollt, »frische« Tote.
    Wilken schlug die Tücher auseinander und schnitt angewidert eine Grimasse. »Seht Euch dieses Gesicht an! So viel Grauen, so viel Entsetzen. Als wäre in seinen letzten Sekunden der leibhaftige Teufel in ihn hineingefahren.«
    Ein kurzer Blick überzeugte mich davon, dass er Recht hatte. Später sollten wir uns noch alle wundern, wie Recht.
    »Tja, andererseits habe ich auch schon die entrückt lächelnden Leichen von Leuten gesehen, die, wie ich selber weiß, eines besonders grausamen Todes gestorben sind. Ich glaube nicht, dass uns dies allein weiterhelfen wird. – Ich habe auf seinem Kopfkissen getrocknetes Blut entdeckt. Am besten, du untersuchst zuerst seinen Kopf.«
    Die Kälte hier unten hatte die beginnende Verwesung der Leiche verzögert, aber nicht gänzlich aufgehoben. Ganz allmählich mischte sich der Hauch eines süßlich-fauligen Geruchs mit der Moderluft des Gewölbes. Ich nahm meinen Platz in der Ecke wieder ein und gab meinem Medicus ein Zeichen fortzufahren.
    Wilken betrachtete zunächst den Kopf des Toten aus nächster Nähe, ohne ihn anzurühren. Im Schein der Kerzen hatte die Haut einen

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