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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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Zustand auch untertags beibehalten worden. Außerdem, so hatte mir der Hausherr versichert, ließe er immer, wenn sich Fremde in der Burg befänden, nachts die Hunde im Hof laufen. Zweitausend Goldgulden mussten sich also noch innerhalb dieser Mauern befinden, und ich hatte angekündigt, sie am nächsten Tage aufspüren.
    Wer auch immer sie in Besitz hatte, heute Nacht müsste er mich töten. In dieser beruhigenden Gewissheit hoffte ich darauf, wach bleiben zu können.
    Es dauerte nach meiner Schätzung etwa eine Stunde, bis alle Geräusche in der Burg verstummt waren – bis auf jene, die von ihr selbst stammten. Wenn der böige Wind sie nicht überdeckte, konnte man es knacken und knarzen hören und manchmal vernahm man einen Laut, als würde das alte Gemäuer aufstöhnen über das in ihm begangene Verbrechen.
    Ich hätte liebend gern eine vollkommene Stille gehabt, um den erwarteten Eindringling so früh wie möglich hören zu können. So musste ich alle meine Sinne anspannen, um nicht am Ende Opfer meines eigenen Plans zu werden.
    Hin und wieder war der Ruf einer Eule aus dem nahen Emscherbruch zu vernehmen und mehrmals flatterten Nachttiere an meinem Fenster vorbei. Nach meiner Schätzung befand ich mich in der Mitte zwischen dem Einbruch der Dunkelheit und dem Morgengrauen.
    Und dann passierte mir das, was nie und nimmer hätte geschehen dürfen. Ich schlief ein. Ich will hier gar nicht erst versuchen, die Schuld für mein Versagen auf den anstrengenden und viel zu langen Ritt, den fehlenden Schlaf aus der Nacht zuvor oder gar auf den quengelnden Hillink abzuwälzen, der sich unaufhörlich über den miserablen Zustand des Weges beschwert hatte. Es gibt keine Entschuldigung für eine solch tödliche Dummheit. Frederik von dem Kerkhof, des Bischofs bester Mann, hatte sein Leben als Köder angeboten und war dabei eingeschlafen!
    Was mich aus den Träumen riss, kann ich im Nachhinein nicht mehr angeben. Vielleicht war es ein ungewöhnlich lautes Knarren der Diele, vielleicht ein in den Jahren verschärftes Gespür für die Gefahr, vielleicht ein siebenter Sinn, möglicherweise eine Mischung aus allem. Ich sah aus den kaum geöffneten Augen einen Schatten auf mein Gesicht herabstoßen und schaffte es gerade noch, meinen Kopf zur Seite zu drehen. Deshalb zuckte die Klinge eines kurzen Messers mit doppelter Schneide um weniger als eine Fingerbreite an meinem Hals vorbei und schlitzte statt meiner Kehle das Kopfkissen auf. Das Rapier unter der Decke hervorzuziehen war keine Zeit. Außerdem wäre diese Waffe bei einem Kampf aus nächster Nähe eher hinderlich.
    Lange Überlegungen konnte ich ohnehin nicht anstellen, denn schon wieder schoss der scharfe Stahl aus dem Dunkel auf mein Gesicht zu. Reflexartig griff ich in den Schatten und bekam den Arm knapp unterhalb der Hand zu fassen. Obwohl die vermummte Gestalt alle Anstrengungen unternahm, die Klinge auf mich herunterzudrücken, kam sie mir kein Stück näher. Ich merkte sofort, dass ich dem Attentäter an Kraft weit überlegen war. Das half mir im Moment jedoch nicht viel, weil ich meine andere Hand benötigte, meine Augen zu schützen, auf die er mit klauenartigen Nägeln niederfuhr. Endlich gelang es mir, auch diese Hand zu packen, doch konnte ich nicht viel ausrichten, da das Messer immer noch bedrohlich über mir schwebte.
    Obwohl ein ungläubiger Thomas, habe ich später noch oft ein Dankgebet zu meinem alten Lehrmeister Berthold geschickt. Er hatte mich so gedrillt, dass verschiedene Verteidigungen, die ich längst vergessen wähnte, im Falle höchster Not wieder präsent waren. So wandte ich auch jetzt, als ich in dem Handgemenge schließlich die hinderliche Decke von mir heruntergestrampelt hatte, die Technik an, die wir den Mönchstritt genannt hatten. Ich trat meinem Angreifer kunstgerecht zwischen die Beine.
    Die Wucht hob den leichtgewichtigen Burschen ein ganzes Stück in die Höhe, brachte ihn jedoch nicht dazu, seine verkrallte Hand zu lockern oder den Dolch freizugeben, entlockte ihm nicht einmal einen Schmerzensschrei.
    Entweder hatte der Bursche ein Gemachte aus Stahl oder er war ein Eunuch.
    Ich probierte den Tritt erneut, legte diesmal aber mein Ziel mehr auf das Hochschleudern der Gestalt als auf eine Schmerz erzeugende Wirkung. Gleichzeitig warf ich mich nach rechts und stieß den Vermummten mit Macht zur linken Seite. Er flog in hohem Bogen durch die Luft und landete mit schwerem Aufschlag auf seinem Rücken. Die Zeit, in der er nach Atem rang,

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