Der Raben Speise
bischöflichen Leibarztes gegeben, der nach eingehender Untersuchung und dem Bemerken seines Patienten, so hätte er sich früher schon einige Male gefühlt, wenn man ihm im Laufe einer Auseinandersetzung über den Schädel gehauen hatte, eine Gehirnerschütterung diagnostizierte und strengste Bettruhe verordnete. Bei diesem durchaus vernünftigen Rat ließ es der Quacksalber aber nicht bewenden. Außerdem verordnete er meinem Gefährten die Einnahme einiger Mixturen, deren Ingredienzen ich nur erahnen konnte, was genügte, dass mir augenblicklich beinahe so schlecht wurde wie Hillink. Ich wartete einen unbeobachteten Moment ab, um mich von ihm mit dem freundschaftlichen Rat zu verabschieden, das ganze Zeug besser den Abtritt hinunterzuspülen. Außerdem schärfte ich ihm ein, zunächst besser nichts vom Bundschuh und dem Verschwinden der Bauersfamilie samt ihrem Vieh verlauten zu lassen. Sollten irgendwelche diesbezüglichen Fragen kommen, müsste es allemal ausreichend sein, mit einem gedämpften Ächzen und einem plötzlichen Schwindelanfall zu antworten, bis ich aus Crange zurück wäre und hoffentlich Licht in die Sache gebracht hätte.
Dann musste ich mich wohl oder übel dem weitaus unangenehmsten Teil meiner Arbeit widmen: dem Rapport bei seiner fürstbischöflichen Exzellenz.
Ein mühsam um Fassung ringender Herrscher erwartete mich, die mit Glück so lange anhielt, bis ich die knapp und von allen Vermutungen freigehaltene Darstellung meiner Reise losgeworden war. Danach brach es aus ihm hervor wie aus einem geborstenen Fass. Glaubt mir, meine mitfühlenden Zuhörer, selbst ein frohgestimmter Franz ist schon schwer zu ertragen, aber gegen einen übellaunigen erscheint das Fegefeuer wie der Garten Eden. Deshalb erspart mir freundlichst nähere Einzelheiten des Verlaufs unserer Unterredung, die ein solches Ausmaß an Flüchen, Schmähungen, Verwünschungen und – von einem Bischof nicht anders zu erwarten – Gotteslästerungen enthielt, die, wollte ich sie alle wortgetreu wiedergeben, das Anlegen eines zusätzlichen Manuskriptes erforderte. Nur so viel sei gesagt, dass der Plan Wullenwebers, das Geld des Bischofs von Köln in einer gepanzerten Truhe unter dem Schutz einer von ihm zusammengestellten kleinen Truppe transportieren zu lassen, von Franz verworfen worden war, weil der kein Aufsehen erregen wollte. Allerdings war Franzens Idee, einen einzigen Mann als Überbringer einzusetzen, genauso in die Hose gegangen, was ihn unvorstellbar wütend machte.
Es versteht sich von selbst, dass ich meine Vermutung für mich behielt, was Wullenwebers Bande wohl mit dem Geld angestellt hätte, und dass er seinen honorigen Berater danach wohl nie mehr zu Gesicht bekommen hätte. So übte ich mich weiter in Schweigen und ließ das Toben wie eine Naturkatastrophe über mich ergehen – verheerend, doch unvermeidlich.
Da ich Franz seit langem kannte, wusste ich, dass auch sein größter Zorn einmal verrauchen musste. Indessen, heute wollte und wollte es mit dem Gezeter kein Ende nehmen, sodass ich mich zu der Frage erkühnte, ob es opportun wäre, wegen eines solchen Vorfalls den plötzlichen Stillstand des Herzens oder den Schlagfluss zu riskieren. Gewiss, zweitausend Gulden wären auch für einen steinreichen Mann kein Fliegenschiss, aber für einen Herrscher seines Kalibers ...
»Zweitausend Gulden! Zweitausend Gulden! Glaubst du hirnloser ...« Und so weiter und so weiter. »... würde ich mich so aufregen?« Dazu japste er mit hochrotem Kopf nach Luft und klappte das Maul auf und zu wie ein Karpfen auf dem Trocknen. »
Fünfzehn
tausend! Es sind fünfzehntausend Gulden, die verschwunden sind!«
Das hätte allerdings auch mich von den Beinen geholt, hätte ich mir in Erwartung des Vulkanausbruchs nicht gleich zu Beginn seiner Tirade einen Sessel herangezogen. Fünfzehntausend, das machte Sinn. Das hätte für Wullenweber und seine ganze Bande genügt.
Natürlich, so musste es gewesen sein: Wullenweber macht Franz den Vorschlag, das Geld unter Bedeckung und Verschluss herholen zu lassen, stellt die Sache aber in einem Atemzug so dar, dass diese Aktion sämtliche Schurken und Marodeure des Münsterlandes anlocken würde. Gleichzeitig legt er Franz unterschwellig in den Mund, lieber versteckt vorzugehen und nur einen einzigen, unverdächtigen Mann zu schicken. Franz fällt darauf herein. Wullenweber weiß, dass der Bote sich wahrscheinlich einer Reisegruppe anschließen wird, und er mit seiner Last, die annähernd
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