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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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Ossenstert zurück nach Crange. Aber vorher suchen wir noch den Hof nach Südmersen und seiner Familie ab.«
    Ich will es kurz machen, meine Freunde, wir fanden nichts. Kein Mitglied der Familie, keinen Hinweis auf ihren Verbleib. Nicht auf dem Dachboden, auf den eine schmale Stiege führte, nicht in der Scheune, nicht im Stall. Und nicht ein Stück Vieh konnten wir entdecken, was mir das Rätselhafteste an der Sache war. Nach einer halben Stunde machten wir Schluss mit unserem unergiebigen Tun.
    Hillink ritt voran, ohne dass es eines Wortes von mir bedurfte hätte. Er hatte mir den Köder hingeworfen und ich hatte begierig danach geschnappt. Joss Fritz und der Bundschuh. Das sollte mir so viel Stoff zum Sinnieren geben, dass ich kaum auf den Weg und einen möglichen neuen Hinterhalt achten würde. Also übernahm der umsichtige Friese ungefragt die Spitze.
    Natürlich hatte ich Joss Fritz nie kennen gelernt, diesen legendären Denker der Bauernaufstände, dem nur deshalb kein Erfolg beschieden war, weil seine Pläne schon im Vorfeld aufgrund von Verrat nicht umgesetzt werden konnten. Er war auch nie so weit im Norden des Reichs erschienen und außerdem lag seine wirklich große Zeit schon mehrere Jahrzehnte zurück. Doch über seinen Tod war nichts bekannt. Er war ein Mann der tausend Masken, der bei Bedarf sowohl als Edelmann wie auch als Bettler durchgehen konnte. Aber seine bevorzugte Verkleidung war die eines Mitglieds des fahrenden Volkes, des Gauklers, des Spielmanns. Er war der Bunte Mann. War es denkbar, dass er in der Not wie ein Geist wiedererstanden war, um sich um die Belange seines Volkes, um die Interessen der Bauern zu kümmern? Ein absurder Gedanke – oder doch nicht?
    Und der lange Gehilfe, der so inbrünstig folterte und der mir so ... Ich fuhr mir unwillkürlich über die Stirn, strich über meine Haare und drückte meine Schläfen. Wo hatte ich dieses Gesicht schon gesehen? Ich hatte es nirgendwo gesehen, aber ein sehr ähnliches. Ein wenig breitflächiger, ein bisschen jünger, doch so sah der Bauer aus, Südmersen, dem der Hof gehörte. Der Kerl musste sein Bruder sein!
    Je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer wurde ich mir. Nahm ich dann noch den Bunten Mann hinzu und was sie mit Wullenweber angestellt hatten, lag der Schluss nahe, dass sie Wullenweber als einen Feind der Bauern betrachteten. Oder nur eines einzelnen Bauern, nämlich des Bewirtschafters des Hofs? – Wo war der überhaupt mit seiner Familie abgeblieben?
    Uns erschienen die Türme von Wolbeck über den fernen Baumwipfeln. Vor unserer Ankunft hätte ich noch gerne einige Fragen mit Hillink diskutiert, doch der hielt sich im Sattel nur noch mühsam aufrecht. Als ich zu ihm aufschloss, hatte er die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen und gab ein kaum hörbares Stöhnen von sich. Und noch ehe er mir einen Grund für die so augenfällige Beeinträchtigung seines Wohlbefindens nennen konnte, rutschte er aus den Steigbügeln und wäre zu Boden gestürzt, hätte ich ihn nicht mit kräftigem Griff gehalten.
    Die Pferde anhalten und meinen Begleiter aus dem Sattel auf den farngepolsterten Boden gleiten lassen war eins. Dort drehte er sich zur Seite und würgte Schaum und ein Stück Fleisch aus seinem Mund. Ich war entsetzt, nicht vorher etwas vom schlimmen Zustand meines Gefährten bemerkt zu haben.
    »Was ist, hast du dich vergiftet?«
    Er versuchte ein Kopfschütteln, das aber kaum gelang. Seine Stimme klang so leise, dass seine Worte nicht dazu angetan waren, meine Sorgen zu mindern. »Nein, oh nein. Ich bin nur das Opfer meiner kindischen Eitelkeit, die mir verboten hat, dir davon zu erzählen, dass ich bei dem Galopp aus dem Hinterhalt wie ein Idiot mit dem Schädel vor einen niedrigen Ast geknallt bin. Jetzt habe ich ein Trommeln in meinem Hirn und ein Pfeifen in meinen Ohren, während die ganze Welt um mich kreist.« Dabei presste er die Handflächen gegen seine Ohren, sichtlich um Fassung bemüht.
    Ich wollte nicht riskieren, dass sich sein Zustand durch einen möglichen Sturz verschlimmerte. Deshalb hiefte ich ihn zwar in den Sattel, verzichtete jedoch darauf selber aufzusitzen. Es war besser, das eigene Pferd am Zügel zu führen und neben dem Kameraden herzugehen, um ihm jederzeit beispringen zu können. Glücklicherweise waren wir Wolbeck inzwischen so nahe gekommen, dass wir das Ziel trotz unseres Schneckentempos eine Viertelstunde später erreichten.
    Hillink wurde sofort in die Behandlung des

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