Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
Vom Netzwerk:
gerade noch genug Zeit, dich mit einem seiner Pülverchen zu vergiften, bevor sie dich schnappen und dir auf dem Domplatz den Kopf abschlagen. Eventuell verfügt dein wunderwirkender Freund ja sogar über eine Mixtur, die kugelfest macht oder Flügel verleiht. Egal, viel Spaß, viel Spaß!«
    Damit wollte sich diese sardonisch lächelnde Kröte an mir vorbei die Treppe hinaufdrücken. Als er auf gleicher Höhe war und den rechten Fuß schon für die nächste Stufe gehoben hatte, zog ich an seiner Robe und trat zugleich gegen seinen linken Knöchel. Das Geräusch, mit dem er auf dem Podest aufschlug, erheiterte mich noch, als ich mich auf dem Weg nach Münster befand.
    Dieses Hochgefühl sollte mich jedoch nicht dazu verleiten, leichtsinnig zu werden. Auch wenn Münster noch nicht vollständig abgeriegelt war, bedeutete ein Aufenthalt innerhalb der Stadtmauern für einen Diener des Bischofs höchste Gefahr. Deshalb hätte ich auf einen Besuch liebend gern verzichtet, wäre Ossenstert nicht selber unverzichtbar. Er war nicht nur der Fachmann, den ich brauchte, er war auch der einzige Arzt, mit dem ich befreundet war. Ärzte! Ihr wisst, meine lebensklugen Freunde, was das in meinen Augen bedeutet. Scharlatane, die Fledermausdreck und zerstoßene Gänseknochen in Hundeschmalz als Mittel gegen Gliederreißen verkaufen. Quacksalber, die einem den Sud aus Froschlaich und geriebenen Walnussschalen gegen das Drücken auf der Lunge einflößen. Und Pfuscher, die es weitaus besser verstehen, den Geldbeutel ihrer Patienten zu schneiden als deren Abszesse. Ich habe einmal einen uralten Mann, der stets reichlich gegessen und noch reichlicher getrunken hatte, nach dem Geheimnis seiner Gesundheit und seines langen Lebens gefragt. Er hat mir ohne zu zögern geantwortet, dies sei darin zu suchen, dass er einen Medicus nie näher als zehn Schritte an sich herangelassen habe, und er würde lieber den Arsch einer Ziege küssen, als einem solchen Aderlasser auch nur die Hand zu schütteln. Glaubt mir, einen Mann von größerer Weisheit habe ich bis heute nicht kennen gelernt.
    Doch mein Freund Ossenstert hatte mit dieser Bande nichts gemein. Er war ein Mann von höchster Gelehrsamkeit, der über ein erstaunliches Maß an Wissen und Können verfügte. Besser als jeder Arzt, der mir je über den Weg gelaufen, umfassender ausgestattet als jeder Apotheker, der mir begegnet war, ließ er seinen ungezügelten Forschergeist nicht einmal durch geltende Gesetze oder die Bedrohung mit Feuer und Tod einschränken. Doch nicht nur auf dem Gebiet der Heilkunde war er ein unübertrefflicher Fachmann, er konnte es sich erlauben, mehr über unnatürliche Todesarten, Gifte und dergleichen zu vergessen, als ein anderer vice versa in hundert Jahren lernen würde.
    Dabei entsprach sein Äußeres so gar nicht den Erwartungen, die man an die Erscheinung eines derart gelehrten Mannes knüpfte. Er war von mittlerer Größe, zudem ziemlich rundlich und ließ die deutliche Neigung erkennen, seine Leibesfülle noch auszuweiten. Obwohl ihm der Aufenthalt unter freiem Himmel nicht im Mindesten behagte, hatte sein pausbäckiges Gesicht die rötliche Frische eines Landmannes, für den er mit seinen kräftigen Händen und den kurzen, dicken Fingern unschwer durchgehen konnte. Einzig seine klaren, blauen Augen, die immer ein wenig fragend zu blicken schienen, ließen erahnen, welch hohe Intelligenz in seinem von struppigen Haaren überwucherten Schädel wohnte.
    Er wäre der perfekte Spion und Giftmörder, würde er nicht jede Form von Unredlichkeit und Gewalt verabscheuen. – Ich schätzte mich glücklich, ihn zum Freund zu haben.

In Münster
    Meine eigenen Waffen hatte ich in Wolbeck zurückgelassen. Rapier und Dolch, um mich durch deren herausragende Qualität nicht verdächtig zu machen, die Pistolen, damit Sir Desmond den Umbau vornehmen konnte. Ich hatte mich wie ein Landsknecht ausstaffiert, mit buntfedrigem Hut, geschlitztem Beinkleid samt voluminösem Hosenlatz, und, damit man mich auch ja willkommen hieß, mit einer Muskete, denn eine derartige Waffe war teuer und daher selten unter den Soldaten. Ein kurzes, wenig wertvolles Schwert komplettierte meine Bewaffnung.
    So schlich ich mich in der früh hereinbrechenden Abenddämmerung an den Söldnerlagern vorbei – ich wollte vermeiden, dass meine Mission durch einen zufälligen Bekannten zu vielen offenbart wurde und größere Kreise zog – und durch das Niemandsland vor der Stadt, die außer durch ihre Mauer

Weitere Kostenlose Bücher