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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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wurden ins Nichts geschrieben. Ein zuckendes Messer, Schreie und Klagelaute. Ich selbst war unfähig mich zu rühren, meine Gliedmaßen schienen mit Blei ausgegossen zu sein. Vor der sich ausbreitenden Schwärze ein strudelndes Chaos aus Lärm, Blitzen und güldenen Sternen, dann nur noch Dunkelheit und Stille.
    Als ich wieder erwachte, lag ich auf dem Boden eben jenes Zimmers, das ich vor meinem Abtreten durch das Fenster beobachtet hatte. Mein Mantel war zusammengerollt und unter meinen Nacken geschoben, um meinen Kopf ein kühlendes, nasses Tuch gewickelt. Weil mir das geronnene Blut meine angeschwollene Nase verstopfte, hatte ich die ganze Zeit durch den Mund geatmet, sodass mein Hals ausgedörrt war wie nach der Durchquerung einer Wüstenei. Ich brauchte eine Weile, bis ich meine tränenden Augen so weit freigeblinzelt hatte, dass ich wieder einigermaßen sehen konnte.
    Die Läden waren aufgeschlagen, die Fenster geöffnet und die Morgensonne durchflutete den Raum. Hillink saß am Tisch, verzehrte Brot mit geräuchertem Speck und zwinkerte mir aufmunternd zu, als er meine Versuche bemerkte, mich in die Wirklichkeit zurückzutasten. Er wies einladend auf den Platz neben sich, wo er bereits meine Portion zurechtgestellt hatte.
    Wären da nicht mein dröhnender Schädel mitsamt einer ansehnlichen Beule gewesen, das elende Gefühl in Nase und Hals, man hätte die vergangene Nacht für das Trugbild strafender Albträume halten können, geboren aus einer Paarung von unmäßiger Völlerei und zügellosem Suff.
    Und wäre da nicht auch Cornelis Wullenweber gewesen, nur eine Armlänge neben mir und so tot, wie ich ihn nicht in Erinnerung hatte.
    »Was ist passiert?« Meine Stimme war mehr das Krächzen eines Raben als die eines Menschen.
    Hillink beugte sich mit einem Becher zu mir herunter, den er mir an die Lippen setzte. »Ich kann dir wohl erzählen, was ich selber erlebt habe. Den Rest kann ich nur vermuten.«
    Ich trank das kühle Brunnenwasser in kleinen Schlucken, die meinem trockenen Schlund wohl taten und mir halfen, meine Sprache wiederzufinden. »Lass dich nur nicht aufhalten.«
    Mein Gefährte tat wie geheißen. Zuvor hatte er mir noch auf die Beine geholfen, was besser ging als erwartet, und nachdem ich draußen am Brunnen meine Atemwege befreit hatte und mich über mein Essen hermachte, lauschte ich Hillinks Bericht. Es war nicht allzu kalt, und obwohl ich in meinem Leben schon genug Tote aus nächster Nähe gesehen hatte, wollte es mir trotzdem hier an der frischen Luft besser schmecken als in Gesellschaft des unfreiwillig verblichenen Beraters. Außerdem hing drinnen ein ziemlicher Brandgeruch in der Luft, den ich erst jetzt mit sauberer Nase wahrnehmen konnte.
    »... und als wir an den Schurken vorbei waren und ich dein Pferd hinter mir hörte, dachte ich, es ist alles in Ordnung. Erkennen konnte ich bei dem Licht sowieso nicht viel. Bloß weg von der Stelle, man wusste ja nicht, wo noch welche Kerle lauerten. Als ich endlich anhalten und auf dich warten konnte und das Pferd sah, so ganz alleine, war natürlich schon alles zu spät. Ich weiß, wie dein Verstand arbeitet. Also, falls du es geschafft hattest, würdest du dich zum Bauern durchschlagen. Deshalb bin ich auch hierher. Ich kannte den Hof aber nur von deinen Erzählungen und hab mich verirrt. Es muss verdammt lange gedauert haben, bis ich hier ankam. Und da sah es wahrhaftig nicht so aus, als wäre alles in Butter. Du lagst auf dem Fußboden, ich konnte nicht erkennen, ob lebendig oder tot. Ein paar Kerle marterten Wullenweber. Und wie viele insgesamt von denen vorhanden waren, konnte ich nicht einmal ahnen. Was sollte ich tun? Ich hatte keine bessere Idee, als mir aus der Scheune Stroh zu besorgen, es anzuzünden und um das Haus herum zu verteilen. Als ich damit fertig war, schlug ich einen Fensterladen ein, warf den Rest Stroh hindurch, schoss beide Pfeile in den Raum, und macht so viel Lärm, dass alle glauben mussten, eine Armee wäre im Anmarsch. Das hoffte ich jedenfalls. Und anscheinend nicht zu Unrecht, denn die Burschen verzogen sich in dem Qualm zur Hintertür raus.«
    Ich ließ meinen Blick an dem Gebäude entlang schweifen und entdeckte einige Stellen, an denen die Wände angekokelt waren. Hillink war mir mit den Augen gefolgt und sagte wie zu seiner Entschuldigung: »Du siehst selber, dass ich mich zuerst um das Löschen kümmern musste. Mit einer Feuersbrunst, die alles verschlungen hätte, was noch im Hause war, wäre bestimmt

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