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Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath

Titel: Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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einen Blick auf den Schimmel und die Schmutzstreifen auf dem nächsten Wohnwagen. »Verwahrlosen? Du hättest sie bereits vor Jahren ausrangieren sollen. Wenn du schon was Sinnvolles machen möchtest, in Bungalow Nummer sechs ist noch ein Leck, das repariert werden muss.«
    »Ich weiß, ich weiß. Ich kümmere mich gleich darum.«
    Connie blieb jedoch stehen und beobachtete ihn, bis er seufzte, sich in Bewegung setzte und zwischen den Bäumen
hindurch zurückging. Sie hätte die Hände in die Hüften gestemmt wie eine Lehrerin vom alten Schlag – wenn sie Hüften gehabt hätte.
    Eine lange Reihe von Blue-Circle-Zementwagons fuhr vom Hope-Zementwerk in südlicher Richtung über die Brücke. Als sie über den Steinbogen rollten, polterten sie wie ein herannahendes Gewitter. Der Lärm dauerte so lange an, dass Raymond sich nur schwer beherrschen konnte, nicht in Laufschritt zu verfallen.
     
     
    Unten im Zementwerk hatte Will Thorpe die Abfahrt der Wagons beobachtet. Jetzt kroch vor der Nachmittagssonne die schwarze Silhouette eines Schaufelradbaggers über den Horizont, der sich den Weg am Rand des Steinbruchs entlangbahnte. Unter Thorpes Füßen knackten abgestorbene Farnzweige und ließen Wolken von Zementstaub aufsteigen. Am Boden lagen noch immer verfaulende Blätter vom letzten Herbst, die jedoch inzwischen weiß waren, als wären sie von einer Frostschicht überzogen.
    Thorpe leckte sich über die Lippen. Die Sonne und der Staub hatten sie ausgetrocknet und spröde gemacht. Er wusste, dass er sich vom Hope-Zementwerk fernhalten sollte. Der Schleifstaub, der in der Luft hing, bereitete ihm schon genug Schmerzen in der Lunge. Hier glich die nächtliche Welt einem Fenster in eine andere Wirklichkeit. Das Zementwerk war erleuchtet wie eine Stadt in einem Science-Fiction-Film, voller glitzernder Türme und greller Lichter, mit treibenden Dampfwolken und rätselhaftem Gepolter und dem Kreischen verborgener Maschinerie.
    Wenn Thorpe die Hand flach auf den Boden legte, spürte er die Erschütterungen, die den Lärm begleiteten. Sie erinnerten ihn an die Fahrt einer Kolonne von Panzern über eine Wüstenstraße, deren Ketten den Boden zu Staub zermalmten und deren Geschützrohre geschwollen und schwer waren wie reife
Früchte. Die Erinnerung war so klar, dass er beinahe den Sand im Mund schmecken und die Sonne im Nacken unterhalb seines Baretts spüren konnte.
    Thorpe wäre gerne in der Lage gewesen, eine andere Wirklichkeit zu betreten. Wenn das überhaupt irgendwann einmal möglich war, dann jetzt. Er hatte das Datum überprüft, als er tagsüber in Castleton gewesen war, und wusste, dass heute der zwölfte Juli war. Irgendwie hatte er sich eingeredet, dass dieser Tag niemals kommen würde, doch jetzt war er da.
    Will Thorpe hatte bereits genug Tod gesehen, um davon überzeugt zu sein, ihn in der Luft wittern zu können, wenn er nahte. Nicht den langsamen, langwierigen Tod, der einen im Krankenhausbett heimsuchte, wenn man mit Schmerzmitteln vollgepumpt am Tropf hing, sondern den plötzlichen, gewaltsamen Tod, der vom Himmel fiel oder aus dem Boden schoss und einen bluttriefend aus dem Leben riss. Die Art von Tod, die er selbst bevorzugt hätte, wenn er die Wahl gehabt hätte.
    Thorpe schloss die Augen vor den Schmerzen in seiner Brust und vor dem, was er im dunklen Schatten zwischen den Bäumen und den Felsbrocken an den Hängen des Steinbruchs sah.
    »Oh, Scheiße, oh, Scheiße«, murmelte er.
    Er wünschte sich, er hätte den ständigen bitteren Geschmack im Rachen ebenso leicht ausspucken können, wie er den Zementstaub ausspucken konnte. Doch der Geschmack von Gewalt war in seine Drüsen gesickert und floss jetzt mit jedem Tropfen Speichel in seinen Mund.
    Thorpes Hände zitterten. Er wusste, dass dieses Zittern auf seinen Hunger zurückzuführen war, nicht auf seine Angst. Eigentlich hatte er nie Angst gehabt, nicht einmal in den schlimmsten Momenten, als seine Kameraden unmittelbar neben ihm in Stücke gerissen wurden, als seine Gesichtsmaske so dick mit Blut bespritzt war, dass er den Feind nicht mehr sehen konnte. Er wusste, dass andere Männer Angst hatten,
wenn sie ins Gefecht zogen, aber aus irgendeinem Grund hatte ihn das Wissen, jeden Augenblick sterben zu können, nie gestört. Genau genommen hatte er überhaupt keine Angst vor dem Tod. Das Leben war es, das ihm Schmerzen verursachte.
    Thorpe lächelte und spürte, wie sich die mehrere Tage alten Bartstoppeln in seinem Gesicht bewegten. Man lernte, die

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