Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
Fry?«, erkundigte er sich. »Sie scheinen heute Morgen in einer seltsamen Laune zu sein.«
Fry rüttelte sich mental wach. »Mir geht’s gut. Entschuldigung.«
»Schön. Also, auf jeden Fall war Quinns Affäre eine langfristige Sache. Ich war damals wirklich erstaunt. Ich meine, wie kann man jemandem, mit dem man schon so lange zusammenlebt, etwas vorlügen, ohne dass es auffliegt? Irgendwann muss man sich doch verplappern, oder?«
»Das kann ich nicht beurteilen, Sir«, sagte Fry.
»Nein?«
»Ich hab die meiste Zeit allein gelebt.«
»Ach so.«
Fry lebte seit langem allein, was der Detective Inspector ganz genau wusste. Doch sie war inzwischen dagegen abgehärtet. Bislang war es ihr gelungen, das aufkeimende Gefühl von Einsamkeit zu unterdrücken. Einen anderen Menschen um sich zu haben machte es schwierig für sie, ihre Angelegenheiten auf ihre eigene Art und Weise zu erledigen.
Seit Mitte Juni war ihr ständig bewusst, dass sich noch eine weitere Person in ihrer Wohnung aufhielt. Mit einem Mal waren ihr die schmuddeligen Teppiche und die Feuchtigkeitsflecken an den Wänden aufgefallen, als schämte sie sich, wie sie wohnte.
»Ich glaube, manchmal ist es durchaus von Vorteil, Single zu sein«, sagte Hitchens nachdenklich. »Ich meine, in beruflicher Hinsicht. Sie sind doch ehrgeizig, oder, Fry? Möchten Sie befördert werden?«
»Natürlich.«
»Inzwischen kann man in sieben Jahren zum Superintendent
aufsteigen. Der Druck ist gewaltig, und die Wahrscheinlichkeit zu versagen ist hoch. Aber es ist möglich. Genau das hatte ich vor, wissen Sie? Manchmal kommt einem das Leben allerdings in die Quere.«
»Ja, Sir.«
Falls er an ihr Mitgefühl appellierte, verschwendete er seine Zeit. Fry erinnerte sich an die Art, wie sie gedacht hatte, als sie sich zur Polizei von Derbyshire hatte versetzen lassen. Sie hatte sich nicht viele Gedanken gemacht, abgesehen davon, wie schnell sie auf der Karriereleiter nach oben klettern konnte, wie sie am besten Eindruck bei ihren Vorgesetzten machen konnte und welcher ihrer neuen Kollegen ihr beim Erreichen ihrer Ziele am nützlichsten sein würde. Rückblickend wurde ihr jedoch bewusst, dass sie sich bemüht hatte, alle ihre Gedanken auf die Arbeit zu richten, um die Themen zu verbannen, über die sie nicht nachdenken wollte.
Damals hatte es nur eine einzige Ausnahme bei ihren selbst auferlegten Regeln gegeben, nur ein einziges Thema, das sie im Kopf hatte, wenn sie nicht im Büro war: ihre Schwester.
Bei Angies erstem Besuch in der Grosvenor Avenue, nachdem Diane sie völlig benommen aus der Ortschaft Withens im Dark Peak abgeholt hatte, hatte ihre Schwester die Wohnung kaum eines Blickes gewürdigt und angemerkt: »Deine Bude ist okay, nehme ich an.« Sie hatte kein Interesse daran gehabt, die Küche oder das Schlafzimmer zu sehen, geschweige denn die Absicht, das Durcheinander zu kritisieren oder die Schmutzwäsche, die auf dem Badezimmerboden herumlag. Warum also sollte ihre Anwesenheit Fry plötzlich ein so schlechtes Gewissen wegen der Unordnung machen?
»Sie ist genau richtig für mich«, hatte sie sich selbst sagen hören.
Und das stimmte auch. Sie verspürte kein Bedürfnis mehr nach einem Zuhause, keinen Wunsch mehr nach einem Ort, der ihr vielleicht irgendwann etwas bedeuten würde.
»Was für Leute wohnen denn sonst noch im Haus?«, hatte ihre Schwester gefragt.
»Studenten.«
»Meine Güte, Studenten. Die sind echt eine Plage.«
Und die Unterhaltung war einmal mehr in eine jener peinlichen Pausen gestolpert, als sei Angie nicht ihre Schwester, sondern eine völlig Fremde, mit der sie überhaupt nichts gemein hatte.
Diane war sich wie eine Idiotin vorgekommen, als sie mitten auf dem Wohnzimmerteppich stand und von einem Fuß auf den anderen trat, während sie versuchte, sich irgendetwas anderes einfallen zu lassen, was sie hätte sagen können.
Angie hatte sich auf das alte Bettsofa fallen lassen, mit einem Seufzen die Beine ausgestreckt und die Spitzen ihrer Turnschuhe angestarrt, die vom Regen in Withens noch immer feucht waren.
»Und, willst du mir nicht einen Kaffee oder so was anbieten, Schwester? Sogar Ben hat mir einen Kaffee angeboten, als ich bei ihm war.«
Fry hielt inne. Sie hörte sogar auf, von einem Fuß auf den anderen zu treten. Sie wartete darauf, dass ihre Schwester ihr in die Augen sah, aber Angie hob nicht den Blick.
»Du warst zu Hause bei Ben Cooper?«
Angie hatte ihren Zehen ein verschwörerisches Lächeln geschenkt, als
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