Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
verloren und wäre in ein Feld voller Holstein-Friesian-Rinder gefahren, die vermutlich einen ebenso großen Schreck bekommen hätten, wie er ihn gerade bekommen hatte.
»Was?«
»Mansell Quinn. Erinnerst du dich noch, Ben?«
»Ja. Ja, ich erinnere mich, Mum.«
Isabel machte ein finsteres Gesicht. »Du musst damals noch ziemlich jung gewesen sein. Wir haben versucht, es vor dir zu verheimlichen.«
»Ihr habt es nicht so gut verheimlicht, wie ihr dachtet.«
»Oh.«
Cooper zögerte, konnte es sich aber nicht verkneifen, die Frage zu stellen. »Woher weißt du, dass er wieder frei ist?«
»Irgendjemand in der Old School hat es erwähnt.«
»Erinnerst du dich noch an den Fall? Ich meine, an den Mord?«
»Mord?«
»Mansell Quinn hat eine Frau umgebracht. Erinnerst du dich noch? Damals hat Dad...«
Cooper drehte den Kopf, um seine Mutter anzusehen, während er sprach, und bemerkte den schrecklich gequälten Ausdruck
in ihrem Gesicht. Er hatte das Gefühl, als würde er ein Kind ansehen, das irgendeinem unsichtbaren Grauen in der Dunkelheit gegenüberstand.
»Ben«, sagte sie, »dein Dad ist tot.«
Beschämt richtete er den Blick wieder auf die Straße und nahm die nächste Kurve ein wenig zu schnell, weil er vergaß zu bremsen oder sich erst gar nicht die Mühe machte.
»Ja, Mum«, erwiderte er. »Ich weiß.«
Zwei Minuten später steuerte Cooper den Wagen den Hügel zur Bridge End Farm hinauf. Auf den höher gelegenen Hängen leuchteten die Blätter der Linden und Ahornbäume beinahe gelb vor den dunklen Wolken im Hintergrund, die sich noch immer den Weg über die Moore bahnten. Er vermutete, dass es später wieder regnen würde.
Als sie beim Farmhaus ankamen, wurde Cooper sofort von seinen Verwandten umzingelt. Davon schien es mehr zu geben, als er in Erinnerung hatte. Seine Schwester Claire war mit ihrem neuen Freund da, der behauptete, Arzt zu sein, aber eher wie ein Vertreter aussah. Onkel John und Tante Margaret waren mit einer ganzen Schar von Cousins und Cousinen angerückt. Und natürlich waren Matt und Kate da sowie Kates Eltern. Doch seine Nichten Josie und Amy bestanden darauf, ihre Geschenke als Erste zu überreichen.
Nachdem Cooper all die richtigen Laute von sich gegeben hatte und ein Geburtstagskuchen angeschnitten worden war, ebbte der Wirbel endlich ab, und er saß mit einem Glas Bier in der Hand inmitten eines Berges von Geschenkpapier und Glückwunschkarten. Für einen Augenblick war Stille eingekehrt, die es ihm erlaubte, kurz nachzudenken. Doch als Cooper aufsah, stand Josie neben ihm und wartete geduldig, dass er sie zur Kenntnis nahm.
»Onkel Ben, ich hab das Gedicht gefunden«, sagte sie.
»Welches Gedicht, Josie?«
»Das, von dem der Mann in der Peak Cavern erzählt hat. Es ist von Ben Jonson.«
Cooper musste schmunzeln, als Josie die Höhle »Peak Cavern« nannte, in der Hoffnung, ihm würde auffallen, dass sie den salonfähigen Namen benutzte. Ihre Schwester Amy verwendete genau aus dem umgekehrten Grund mit Vorliebe die Bezeichnung »Devil’s Arse«. Oder vielleicht war es auch aus demselben Grund: um seine Aufmerksamkeit zu bekommen.
»Wie hieß das Gedicht gleich wieder?«
»Also der Mann hat gesagt, dass es The Gypsies Metamorphosed heißt, aber so heißt das Buch, nicht das Gedicht. Das heißt nämlich ›Cock Lorrel‹. Möchtest du es lesen?«
»Äh...« Cooper sah zuerst das Buch an, das Josie in der Hand hielt, und dann sie. »Okay. Danke.«
Er nahm es und las die erste Strophe des Gedichts laut vor:
»Cock Lorrel would needs have the Devil his guest, And bade him once into the Peak to dinner, Where never the fiend had such a feast Provided him yet at the charge of a sinner.«
(Cock Lorrel wünschte sich den Teufel als Gast, Und bat ihn einst in die Peak zum Bankett, Wo der Satan noch nie ein solch Festmahl gehabt hatte, Das ihm überdies auf Geheiß eines Sünders aufgetischt wurde.)
Er begann, die zweite Strophe zu lesen, und hielt dann inne. »Hast du das gelesen, Josie?«
»Ja. Es ist ein bisschen gruselig, finde ich.«
»Ja, das kann man wohl sagen.«
Im Stillen überflog Cooper den Rest des Gedichts. Es schien eine Auflistung der Gerichte zu enthalten, die Cock Lorrel und der Teufel bei einem der berüchtigten kannibalischen Festmahle in der Höhle genossen hatten – den Beggars’ Banquets.
Dort stand: » Ein reicher, fetter Wucherer, geschmort in seinem eigenen Mark, und neben ihm der Kopf eines Advokaten in grüner Soße «
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