Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
der Ihrer Meinung nach noch schutzbedürftiger ist.«
»Wie zum Beispiel?«
»Meiner Erfahrung nach sind Großmütter ihren Enkelkindern gegenüber manchmal übertrieben fürsorglich«, sagte Fry. »Vor allem dann, wenn sie der Ansicht sind, dass die Eltern ihre Sache nicht gut machen.«
»Enkelkinder?«
»Ja. Enkelkinder.«
»Sergeant, ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Fry atmete tief ein und bereute es auf der Stelle. Sie konnte den scharfen Geschmack des verdunstenden Grassafts schmecken, den der Rasenmäher der Nachbarn versprühte, und spürte, wie sich die Graspollen in ihrem Rachen festsetzten.
»Ich will damit sagen, dass Mansell mit Hilfe der DNA-Analyse herausgefunden hat, dass er nicht Simons Vater ist«, sagte sie. »Was bedeutete, dass er für den Sohn eines anderen den Kopf hingehalten hatte. War es nicht so, Mrs. Quinn?«
Enid Quinn starrte sie einen Augenblick lang an, dann fing sie an zu lachen. Ihre Augen tränten. Doch Fry war sich sicher, dass es nicht so witzig gewesen sein konnte, was sie gesagt hatte.
»Tja, da irren Sie sich«, sagte Mrs. Quinn, »und zwar in beiden Punkten.«
39
Ben Cooper hatte eigentlich direkt nach Hause fahren wollen, aber aus irgendeinem Grund schaffte er es nicht bis nach Edendale. Es war beinahe so, als steuerte sein Toyota selbstständig von Hucklow ins Hope Valley.
Als er Castleton erreichte, fuhr er vorsichtig über den Marktplatz und vorbei an dem angelsächsischen Kreuz, um zur Pindale Road zu gelangen. Die Straßen waren schmal, und überall waren Autos geparkt – von den Scharen von Touristen ganz zu schweigen, die über die Fahrbahn schlenderten, als rechneten sie nicht damit, dass diese auch befahren wurde. Uniformierte Polizisten, paarweise an den Ecken postiert, beobachteten die Menge.
Das ehemalige Haus der Quinns stand fast am oberen Ende der Straße, oberhalb des Hope View House. Als Mansell Quinn noch dort gewohnt hatte, war ihm vermutlich nichts anderes übrig geblieben, als seinen Vauxhall-Kombi am Stra ßenrand zu parken wie alle anderen auch. Castleton gehörte zu den Orten, deren Bewohner ziemlich böse wurden, wenn sie aufgrund der zahlreichen Autos der Touristen nicht in der Nähe ihrer Häuser parken konnten. Die kleine Stadt war viele Jahrhunderte vor der Erfindung motorisierter Fahrzeuge geplant worden.
Je weiter bergauf er fuhr, desto schmaler wurde die Pindale Road. Von den Häusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus hätte man eine gute Aussicht auf Nummer 82 gehabt, wenn man zufällig zum richtigen Fenster hinausgeschaut hätte.
Cooper musste an dem Haus vorbeifahren, fast bis nach Siggate, bis er eine Stelle fand, die breit genug war, dass er wenden konnte. Er fuhr den Hügel wieder hinunter und parkte in der Einfahrt zu einem leer stehenden Haus, dann klopfte er an die Tür von Nummer 84, wo 1990 die Townsends gewohnt hatten.
Doch die hilfsbereiten Nachbarn der Quinns waren längst aus der Pindale Road weggezogen und hatten keine Nachsendeadresse hinterlassen.
Cooper fuhr auf der A625 zurück durch Hope und dann den Win Hill hinauf nach Aston. In ländlichen Gegenden wie dieser war seinem Straßenatlas nicht genau zu entnehmen, was eine Straße oder ein Feldweg war und was nur ein Fußweg oder ein Reitpfad. Er wollte sich vergewissern, ob der Weg, der parallel zu Rebecca Lowes Garten verlief, bei dem nahe gelegenen Farmhaus endete, wie die Karte es vermuten ließ, oder ob er an irgendeiner Stelle zu Parson’s Croft abzweigte.
Er stellte fest, dass es tatsächlich möglich war, mit dem Auto von dem Feldweg abzubiegen. Der Weg war breit genug, um hinter Rebecca Lowes Hecke entlangzufahren. Im Winter wäre er vielleicht zu schlammig gewesen, aber im Moment befand er sich in gutem Zustand. Man hätte ein Auto so parken können, dass es nicht zu sehen war, und in der Hecke waren Lücken, durch die sich jeder der Hintertür von Parson’s Croft nähern konnte.
Doch wer hätte das tun sollen? Es war schön und gut, dass das Verbrechen irgendwie nicht zu Mansell Quinn zu passen schien, aber wer kam sonst noch in Frage? Diane Fry hatte ihn gefragt, ob er einen anderen Verdächtigen im Sinn habe. Und das hatte er natürlich nicht.
Raymond Proctor fuhr einen roten Renault-Lieferwagen, auf dessen Seite das Logo seines Campingplatzes prangte. Der Lieferwagen gehörte nicht zu der Sorte von Fahrzeugen, die in
den Gassen von Aston unbemerkt blieben. Will Thorpe hätte sich dem Haus zu Fuß genähert haben können.
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