Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
Eichhörnchens abbremste, das über die Straße huschte. Doch wie üblich zeigte sie wenig Interesse an der Umgebung.
»Was denkst du, warum er seine Aussage zum Mord an Carol Proctor widerrufen hat?«, fragte Cooper. »Das hatte doch nur zur Folge, dass er keine Bewährung bekam und ihm sämtliche Hafterleichterungen gestrichen wurden.«
»Der Bewährungsausschuss hat bestimmt alle möglichen Faktoren in Betracht gezogen«, sagte Fry. »Sie wollten sicher wissen, was er nach seiner Entlassung vorhatte. Und er hatte mit einigen Problemen zu kämpfen – mit Wutausbrüchen.«
»Aha.«
Die Ortschaft Hope lag in der Mitte des Tals und wurde auf der einen Seite vom Lose Hill und vom Win Hill, auf der anderen vom Zementwerk eingerahmt. Als sie in das Tal hineingefahren waren, hatten sie den Schornstein des Zementwerks bereits vom Rising Sun Inn aus gesehen. Seine seltsame turmartige Bauweise erinnerte an die Ruinen einer Burg, in denen die gähnenden Löcher der Schießscharten klafften. Dahinter befand sich eine lange weiße Narbe aus Steinbrüchen, die sich tief ins Bradwell Moor hineingruben.
Cooper hatte sich zuvor das Portraitfoto von Mansell Quinn angesehen. Im Gefängnis musste Quinn sich lange Zeit wie jemand gefühlt haben, der unter Wasser die Luft anhält. Schlimmer noch, er hatte keine Ahnung gehabt, wie lange er sie noch anhalten musste. Es hatte bestimmt eine Zeit gegeben, als er hoffte, nach zehn Jahren auf Bewährung freizukommen. Doch dann war er als »zur vorzeitigen Entlassung ungeeignet« gebrandmarkt worden. Viele hätten in dieser Situation vielleicht aufgegeben, hätten aufgehört, die Luft anzuhalten, und der Verzweiflung freien Lauf gelassen. Doch Quinn hatte ausgeharrt.
»Ich nehme an, seine familiären Umstände entsprachen
nicht den Anforderungen. Waren nicht geeignet, um seine Rehabilitation zu unterstützen.«
»Es ist nicht klug, seine Meinung darüber zu ändern, ob man schuldig ist oder nicht«, sagte Fry. »Damit stempelt man sich selbst zum Lügner ab. Die meisten, die im Gefängnis ihre Aussage widerrufen, tun es allerdings andersrum. Da Reue wichtiger ist als Unschuld, zeigen sie Reue und bekommen ihre Bewährung.«
In Hope, wo ein stetiger Strom von Lastwagen in beide Richtungen über die Brücke zum Zementwerk rumpelte, musste Cooper sich aufs Fahren konzentrieren.
Er hatte erlebt, wie Männer nach ihrer Entlassung das Gefängnis verließen und sich zu Fuß am Straßenrand auf den Weg in die nächstgelegene Ortschaft machten, mit all ihren Habseligkeiten in einer einzigen Tasche und einer nur äußerst vagen Vorstellung von ihrer Zukunft. Dabei hatte er sich oft gefragt, ob sie weiter kamen als bis zum nächsten Pub, wenn sie dem Duft von Freiheit folgten, der durch ein Kneipenfenster strömte.
»Wenn ich in dieser Lage wäre, würde ich alles tun, um rauszukommen, und wenn ich dazu das Blaue vom Himmel lügen müsste. Ich meine, wenn ich tatsächlich unschuldig wäre, würde ich es schließlich wissen, auch wenn es sonst niemand weiß. Also bräuchte ich auch kein schlechtes Gewissen zu haben...« Cooper hielt inne. »Quinn hat ganz bestimmt nicht vor, wieder ins Gefängnis zu gehen.«
»Das dachte ich eigentlich auch«, sagte Fry.
Ein paar Minuten später standen Cooper und Fry am unteren Ende von Rebecca Lowes Garten von Parson’s Croft. Der Wind hatte stark aufgefrischt, und Cooper beobachtete, wie er durch die Bäume auf den Hängen des Win Hill fegte.
Die Spurensicherung arbeitete noch immer im Haus, und mehrere Polizisten suchten auf allen vieren den Garten und
die Einfahrt nach Spuren ab, die der Mörder auf seinem Weg zum Haus womöglich hinterlassen hatte. Cooper fiel auch hier eine Garten-Zierfigur auf, bei der es sich allerdings nicht um ein Eichhörnchen oder um einen Hasen handelte, sondern um einen Beton-Reiher, der auf einem Bein in der Mitte des Rasens stand, als wartete er auf einen Teich.
»Sie denken, er könnte eine Zeit lang unter den Bäumen gewartet haben, bevor er sich dem Haus genähert hat«, sagte Fry, die mit dem Chef der Spurensicherung gesprochen hatte. »Er wollte vermutlich sichergehen, dass sie allein war.«
»Hier?«, fragte Cooper.
»Ein paar Meter weiter am Zaun. Siehst du die Markierungen? Er muss das Haus eine Weile beobachtet haben, bevor er es betreten hat. Das ist der beste Platz, wenn man unentdeckt bleiben will, aber trotzdem gute Sicht aufs Haus haben möchte.«
Cooper blickte zu dem Baum neben sich auf. Die
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