Der Rache Suesser Klang
heute zeigte eine Zeitung von gestern. Also war er auch gestern noch am Leben gewesen. Und das musste unbedingt so bleiben. »Bist du gewillt, Alecs Leben aufs Spiel zu setzen?«
Ein langes Schweigen dehnte sich zwischen ihnen aus, dann seufzte Clay. »Nein.«
»Wenn irgendjemand die Polizei einweiht, dann müssen es Randi und Stan sein. Ich will nicht noch einen toten Vaughn auf dem Gewissen haben.«
»Richards Tod war nicht deine Schuld«, sagte Clay rau. »Wenn die Vorzeichen umgekehrt gewesen wären, wärst du jetzt nicht mehr unter uns.«
»Das weiß ich«, sagte Ethan voller Bitterkeit und musste an Danas Worte denken.
Es kann unerträglich sein, zu den Überlebenden zu gehören.
»Das weiß ich«, wiederholte er ruhiger.
»Du bist müde. Besorge dir deine Videoausrüstung und geh schlafen. Nimm eine Tablette, wenn es sein muss.«
Tabletten. Ein Gedanke tauchte plötzlich in Ethans Kopf auf. »Kannst du herausfinden, wie viel Phenobarbital man braucht, um Alec zu betäuben? Ohne Randi zu fragen, meine ich? Ich will ihr nicht noch zusätzlich Angst einjagen.«
Ethan konnte förmlich sehen, wie Clay sich aufsetzte. »Randi meinte, in der Flasche war nur ein bisschen mehr als das, was sie für die Ferien brauchten. Wenn die Frau ihn betäubt, wird sie bald Nachschub besorgen müssen.«
»Das habe ich mir nämlich auch gerade gedacht. Ich werde mal in den Apotheken in der Gegend, in der sie heute Morgen war, nachfragen. Vielleicht hat sie sich dort etwas besorgt.«
»Das klingt wie der erste sinnvolle Plan, den wir haben, seit dieser Alptraum begonnen hat.«
»Allerdings. Ich rufe dich an, wenn ich eine Chance hatte, dieses Video zu analysieren.«
»Momentchen. Diesmal legst du mir nicht einfach so auf. Frühstück, Süßer. Was war denn das für eine Geschichte?«
Ethan holte tief Luft und spürte, wie ihm warm ums Herz wurde. Allein der Gedanke an Dana Dupinskys ernste braune Augen reichte, um seine Laune zu heben. »Schinken und Eier.«
»Verkauf mich nicht für dumm. Erzählst du mir jetzt von ihr oder nicht?«
»Woher weißt du, dass es um eine Sie geht?«
»Weil ich dich kenne, Ethan. Also?« Clays Stimme klang verärgert.
»Warum bist du plötzlich so an meinem
Frühstück
interessiert?«
»Weil du dich gewöhnlich nicht durch Essen von deinen
Prioritäten
ablenken lässt.«
»Ich kenne meine
Prioritäten
durchaus, Clay«, gab Ethan scharf zurück. »Sie liegen eindeutig bei Alec.«
Ein frustriertes Schnaufen. »Es ist bloß eine verdammt lange Zeit her, dass du anständig gefrühstückt hast, Kumpel.«
Ethan runzelte die Stirn. Er wusste ganz genau, wann er zuletzt anständig
gefrühstückt
hatte – bis auf die Minute genau sogar. Und sobald er an Dana Dupinskys warmen Körper dachte, der sich an seinen geschmiegt hatte, sehnte er sich verzweifelt nach dem
Abendessen.
Ethan schwieg beharrlich, und schließlich fuhr Clay fort. »Du hast dich nach Jill in puncto Frauen nicht gerade auf eine strenge Diät gesetzt. Aber als du dann aus der Wüste heimgekommen bist, hast du dich … na ja, sozusagen aus allem herausgezogen. Du musst zugeben, Ethan, dass es etwas seltsam ist. Zwei Jahre ohne Beziehung und plötzlich lernst du ausgerechnet dann jemanden kennen, wenn es gerade gar nicht geht. Wie soll ich das verstehen?«
Ethan sog die Wangen ein. »Gar nicht. Meine Beziehungen sind nichts, was dein Verständnis erfordert.«
»Du bist mein Freund, Ethan. Ich will nicht, dass du verletzt wirst.«
»Sie verletzt mich nicht.«
»Bestimmt nicht mit Absicht. Aber wenn sie dich bei deiner Suche nach Alec ablenkt, dann wirst du dich irgendwann selbst dafür hassen.«
Das nahm ihm allen Wind aus den Segeln. »Clay, es ist kompliziert. Sie ist …« Er suchte in seinen Gedanken nach einem Vergleich. »Bist du jemals auf See in einen richtig üblen Sturm geraten? So, dass du befürchtet hast, höchstens kieloben wieder herauszukommen?«
»Ein oder zwei Mal, ja.«
»Und ist es dir je passiert, dass sich das Meer plötzlich beruhigte? Als hätte es nie einen Sturm gegeben?«
»Nein.«
»Bis gestern Morgen kannte ich das auch noch nicht.« Er fuhr an und verließ den Parkplatz. »Ich muss jetzt los. Der Elektronikladen wird gleich aufmachen.«
Chicago
Montag, 2. August, 10.00 Uhr
D u wolltest mich sprechen?«
Dana blickte von ihrem Computer auf und brachte ein Lächeln für Jane Smith zustande. »Setz dich.« Jane gehorchte, den Blick auf den Teppich fixiert. »Ich wollte dir erst ein,
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