Der Rache Suesser Klang
das ist Ihr Arbeitsbereich, Sheriff. Jedenfalls kann ich Ihnen sagen, dass Stan Vaughns Eltern über jeden Zweifel erhaben sind. Ich kenne sie seit Jahren.«
»Huxley meint, sie kämen im Sommer auch immer hierher.« Huxley war Lous leitender Deputy, eine wandelnde Enzyklopädie, was die Stadt und ihre Bewohner anging. Lou war schon tiefer unter Wasser gewesen, als Huxley sich je von Wight’s Landing entfernt hatte, aber das traf auf die meisten Bewohner dieser kleinen Stadt zu.
»In den vergangenen Jahren mag das richtig gewesen sein. Aber seit Stan das Geschäft gekauft hat, reisen sie lieber herum.«
»Was für ein Geschäft betreibt Stan Vaughn denn?« Es war mehr als Neugierde, die sie diese Frage stellen ließ. Nun, da der Selbstmord keiner war, würde sie ihr Bauchgefühl nicht einfach ignorieren.
»Dick hatte ein Elektrogeschäft in Baltimore, aber in den letzten Jahren hat Stan – oh, ich weiß nicht – gute zwanzig Filialen überall an der Küste von Virginia bis New York aufgemacht. Jedenfalls läuft der Laden bestens, und Dick ist ausgestiegen, und er und Edna bereisen jetzt die Welt. Ich habe übrigens vor kurzem noch eine Karte aus London bekommen.«
»John, haben Sie noch irgendetwas anderes gefunden, das uns helfen könnte, die Leiche zu identifizieren?«
»Was seinen Tod betrifft nichts anderes als die Blutergüsse. Todesursache war ziemlich sicher die Gewehrladung in den Schädel. Mr. Doe war ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt. Seine Fingerabdrücke sind nirgendwo gespeichert, und sein Kiefer wurde durch den Schuss zerstört, so dass wir auch keine Zahnarztarchive befragen können. Wenn wir passende Vermisste hätten, könnte ich natürlich die DNA abgleichen. Aber ohne etwas Derartiges kann ich Ihnen nichts zu seiner Identität sagen.«
»Ich habe mir gestern und heute Morgen wieder die Vermisstenanzeigen durchgesehen. Nichts, was passen könnte.«
»Tja, wenn er im Urlaub war, dann wird er vielleicht erst vermisst, wenn das Rückreisedatum ansteht.« Das Telefon klingelte, und er griff über den Tisch, um abzunehmen. »Gerichtsmedizin, Kehoe am Apparat … Ja, sie ist hier.« Er reichte Lou den Hörer. »Für Sie.«
»Sheriff Moore.«
»Guten Morgen, Sheriff. Ich bin Detective Janson, Mordkommission von Morgantown, West Virginia. Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei etwas Wichtigem.«
»Ich habe mich gerade mit unserem Leichenbeschauer getroffen, aber wir sind im Grunde fertig. Was kann ich für Sie tun?«
»Nun, ich ermittle in einem Fall und habe gehofft, dass Sie mir vielleicht helfen könnten.«
Lou setzte sich auf die Lehne eines Stuhls und spürte, wie sich die Härchen auf ihrem Arm aufrichteten. »Natürlich.«
»Wir haben am Freitagmorgen abseits vom Highway im Wald die Leiche einer jungen Frau gefunden. Sie ist zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens gestorben. Am Donnerstag, am Tag zuvor.«
»Todesursache?«, fragte Lou knapp.
»Neun Millimeter in den Kopf. Warum?«
»Weil ich auch einen John Doe hier habe. Ebenfalls erschossen, aber vierundzwanzig Stunden früher. Kann ich Sie auf den Lautsprecher legen? Hier sind nur ich und unser Gerichtsmediziner, John Kehoe.«
»Sicher.« Janson wartete, bis sie die Lautsprechertaste gedrückt hatte. »Ich habe für meine Jane Doe inzwischen einen Namen, Sheriff. Deswegen rufe ich an. Ihre Fingerabdrücke gehören zu einer Cheryl Rickman. Miss Rickmans Abdrücke befanden sich in einer Akte, die der Schulbezirk von Baltimore angelegt hat. Sie war dort Sprachtherapeutin in einer Grundschule. Als wir ihre Eltern kontaktierten, sagten sie uns, ihre Tochter müsse eigentlich in Wight’s Landing sein. Sie habe dort Ferien gemacht.«
Kehoe versteifte sich, als Janson »Sprachtherapeutin« sagte. »Ferien?«
»Ja. Sie hat eine Stelle als Privattherapeutin angenommen, und ihre Arbeitgeber haben sie gebeten, mit in ihr Strandhaus zu kommen. Sie hat für eine Familie namens Vaughn gearbeitet. Könnten Sie uns helfen, sie zu finden?«
»Oh ja, das können wir.« Lou wandte sich zu Kehoe um, der sie erschüttert ansah. »Warum haben die Vaughns eine Sprachtherapeutin, John? Mir ist keine Sprachbehinderung aufgefallen.«
Kehoe sog scharf die Luft ein. »Nein. Die Therapeutin ist für ihren Sohn, Alec. Er ist taub.«
Lou verengte die Augen. »Ich habe gestern kein Kind im Haus gesehen.«
»Vielleicht haben sie ihn in Baltimore bei Freunden gelassen und sind allein in ihr Haus gefahren.«
»Und warum sollten sie dann die
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