Der Rächer von Antares
mich ab. Ich wandte den Kopf und sah die Chulika an, die aufrecht in ihrem Sessel saß und dem Neuankömmling herausfordernd entgegenblickte.
»Wo ist Vad Garnath?« fragte eine Stimme. Doch was für eine Stimme war das! Ein Schauder lief mir über den Rücken, als ich diese dünne, gespenstische, hart widerhallende Stimme vernahm. Es hörte sich an, als säße Phu-si-Yantong in einer Höhle voller Vampirfledermäuse.
Kein Zweifel – die übrigen waren von der atemlosen Flüsterstimme gleichermaßen betroffen. Nun, Phu-si-Yantong war ein böser Mensch, was niemand, der ihn kannte, abstritt. Wenn ich an jene farbenfrohe Szene denke, an das Dschungelgrün und die Blütenpracht, an die Juwelen und Gold und Silber, an die Federn und Seidenstoffe – wie wenig ahnte ich doch von dem schlimmen Schicksal, von den Schrecken, die dieser Zauberer mir in späteren Jahren noch bringen sollte!
Ein Rapawächter in voller Bewaffnung zerrte ein junges Mädchen herein, eine Fristle-Fifi, die vor Entsetzen fast bewußtlos war. Der Rapa öffnete seine Peitsche mit sichtbarer Vorfreude; sein Kamm stellte sich auf und begann zu leuchten. Die Peitsche bestand aus mehreren dicken Lederriemen, die das Mädchen verletzen oder gar töten konnten.
»Was hast du vor, San?« fragte der Kov von Faol.
»Ich möchte meinen Mädchen den Wahren Weg des Gehorsams aufzeigen.«
Der Rapa hob die Peitsche, die mit lautem Knallen ihr Ziel suchte. Die Fifi kreischte. Ihr weiches Fell zuckte unter den schmerzhaften Schlägen. Dreimal hieb der Rapa zu, dreimal mußte ich mich zwingen, in dem verdammten Stuhl sitzenzubleiben. Ich saß erstarrt in meinem Sessel, während das Mädchen bewußtlos zu Boden sank. Sklaven trugen es fort.
»Der Wahre Weg des Gehorsams gegenüber dem Herrn«, sagte Yantong mit unheimlicher Echostimme, ganz leise und weich und zugleich so deutlich, daß seine Worte bis in den letzten Winkel zu verstehen waren.
Encar Capela lachte.
»So ist es recht, San. Und Vad Garnath ist gesichtet. Seht!«
Er deutete durch das Rundbogenfenster in den hellen Himmel. Wir verdrehten die Hälse. Dort raste ein Merker auf die Festung zu. In seiner Hand brannte eine Fackel, die einen dunklen Rauchschleier erzeugte. »Seht ihr, das Signal! Das Löwenmädchen wird bald bei uns sein.«
»Das ist gut«, sagte Kov Numrais na Neagron. »Hätte sie das Opfer des Rapas und seiner Peitsche werden sollen, hätte sie ihm seine Männlichkeit geraubt oder die Augen ausgekratzt. Hai! Ich freue mich auf dieses Jikai, bei Yskaroth!«
In den letzten Minuten habe ich Ihnen die Szene beschrieben, die Umgebung; sollte ich jetzt auch meine Gedanken erläutern, wäre mir das praktisch unmöglich. Ich, Dray Prescot, Krozair von Zy, hatte ruhig auf meinem Hintern gesessen und zugesehen, wie ein Mädchen ausgepeitscht wurde! Dieser Vorgang kam mir damals so unglaublich vor, so abseits meines bisherigen Weges auf Kregen, daß ich es nicht wage, meine Gedanken zu offenbaren – und schon gar nicht meiner Delia.
In diesem Augenblick wimmerte ein süßer Baby-Neemu, der auf den Knien Trylon Thurkins saß. Thurkin war ein unscheinbarer Bursche mit schiefem Blick und einer großen Knollennase. Er war als Krüppel geboren worden. Sein Erfolg als Nachfolger seines Vaters zeigte allerdings, daß mehr in ihm steckte, als auf den ersten Blick erkennbar war, und daß auf Kregen sogar ein Krüppel etwas werden konnte.
Es dauerte noch einige Zeit, bis Garnath ham Hestan, Vad von Mittel-Nalem, feierlich in den Raum getragen wurde, gefolgt von seinen Leuten, zu denen auch der Kataki Rosil na Morcray gehörte.
Ungeduldig suchte ich in seinem Gefolge nach der herrlichen goldenen Gestalt Saffis. Aber sie war nicht da! Natürlich war sie nicht nach hier oben gebracht worden; sie wurde unten im Schloß bewacht, so wie auch die anderen Mädchen, auf die morgen Jagd gemacht werden sollte.
Ich umklammerte die Lehnen des Stuhls und übernahm meine Rolle bei dem nun beginnenden Pappattu. Der Kataki interessierte mich sehr. Er stand etwas abseits; untersetzt, dunkelhaarig, verbreitete er eine bedrohliche Atmosphäre. Die niedrige Stirn über den breiten Nasenflügeln und dem klaffenden Mund, die weit auseinanderstehenden, zusammengekniffenen Augen, die hell und kalt schimmerten, seine selbstbewußte Haltung, der arrogant hochgereckte Schwanz – all dies ließ mich an meine erste Begegnung mit Angehörigen seiner Rasse denken, auf einer vergessenen Insel im Nebelmeer. Katakis, von Beruf
Weitere Kostenlose Bücher