Der Raecher
Holzriegel. Dexter trat ein und verharrte reglos, damit sich seine Augen nach dem fahlen Mondlicht draußen an die Dunkelheit gewöhnen konnten.
Die gekrümmte Gestalt auf der Pritsche schnarchte. Nach drei Minuten konnte Dexter die Wölbung unter der groben Decke erkennen. Er kauerte sich nieder und zog etwas aus seinem Rucksack, dann trat er ans Bett. Der getränkte Wattebausch in seiner Hand verströmte den süßlichen Geruch von Chloroform.
Der Peon grunzte, wälzte sich ein paar Sekunden lang von einer Seite zur anderen und fiel dann in einen noch tieferen Schlaf. Dexter drückte ihm den Wattebausch noch eine Weile aufs Gesicht, damit er erst nach Stunden wieder zu sich kam. Dann schulterte er den Schläfer und huschte auf demselben Weg, den er gekommen war, zur Kirche zurück.
Im Eingang des Gebäudes aus Korallenkalkstein blieb er erneut stehen und lauschte, ob er jemanden geweckt hatte, doch im Dorf blieb es still. In der Sakristei nahm er ein festes Kreppband, fesselte dem Mann damit Hände und Füße und verklebte ihm den Mund, ließ aber die Nase frei, damit er Luft bekam.
Während er wieder absperrte, warf er einen zufriedenen Blick auf die Ankündigung, die am Schwarzen Brett neben der Tür hing. Der Anschlag kam ihm gerade recht.
Wieder in der leeren Hütte, knipste er die Taschenlampe an und untersuchte die Besitztümer des Arbeiters. Viele waren es nicht. An der Wand hing ein Bildnis der Heiligen Jungfrau, und am Rahmen steckte das Foto einer lächelnden jungen Frau. Verlobte, Schwester, Tochter? Beim Blick durchs Fernglas hatte er den Eindruck gehabt, dass der Mann ungefähr in seinem Alter war, aber er konnte auch jünger sein. Wer in Oberst Morenos Fänge geriet und nach El Punto geschickt wurde, alterte schnell. Auf jeden Fall besaß er seine Größe und Statur, weshalb er ihn auch ausgewählt hatte.
Sonst waren die Wände kahl bis auf Holznägel, an denen in doppelter Ausführung die Arbeitskleidung des Mannes hing - zwei grobe Baumwollhosen und zwei Hemden aus dem gleichen Stoff. Auf dem Boden stand ein Paar Espadrilles, schmutzig und abgenutzt, aber robust und verlässlich. Ein Sombrero aus Stroh komplettierte die Arbeitskluft. Und dann gab es da noch den Beutel aus Segeltuch mit Zugband, in dem das Mittagessen zur Feldarbeit mitgenommen wurde. Dexter knipste die Taschenlampe aus und blickte auf seine Uhr. Fünf nach vier.
Er entkleidete sich bis auf die Boxershorts, wickelte die Gegenstände, die er mitzunehmen gedachte, in sein verschwitztes T-Shirt und stopfte das Bündel in den Fressbeutel. Auf alles andere musste er verzichten. Es verschwand im Rucksack und wurde bei einem zweiten Latrinenbesuch entsorgt. Dann wartete er auf die metallischen Schläge gegen das aufgehängte Stück Eisenbahnschiene.
Sie ertönten wie immer um halb sieben, als ein heller Streifen den Nachthimmel im Osten rosa färbte. Um Dexter herum erwachte das Dorf zum Leben.
Er verzichtete auf den Gang zu den Latrinen und Waschtrögen und hoffte, dass es nicht auffiel. Zwanzig Minuten später
spähte er durch eine Ritze in der Holztür. Die Gasse hatte sich wieder geleert. Mit gesenktem Kopf, den Sombrero tief in die Stirn gezogen, huschte er zu den Latrinen, eine Gestalt in Hose, Hemd und Sandalen wie alle anderen.
Er hockte über einem offenen Loch, während die anderen frühstückten. Erst als das dritte Anschlagen der Eisanbahnschiene die Arbeiter zum Tor rief, reihte er sich in die Schlange ein.
Die fünf Kontrolleure saßen an ihren Tischen, prüften die Hundemarken, verglichen sie mit ihren Listen, tippten die Nummern derer ein, die heute Morgen eingelassen werden durften, und die Arbeitskolonne, der sie zugeteilt waren, und winkten die Männer durch, die daraufhin zu ihren Aufsehern gingen und weggeführt wurden, um sich Werkzeuge zu besorgen und mit der ihnen zugewiesenen Arbeit zu beginnen.
Dexter trat an den Tisch, an dem seine Schlange abgefertigt wurde, nahm wie alle anderen seine Hundemarke zwischen Daumen und Zeigefinger, beugte sich vor und hustete. Der Kontrolleur drehte schnell den Kopf weg, gab die Nummer ein und scheuchte ihn weiter. Das Letzte, was der Mann jetzt vertragen konnte, war eine Nase voll Chiligeruch. Der Neue schlurfte weiter und holte sich eine Hacke. Er erhielt die Aufgabe, in den Avocadohainen Unkraut zu jäten.
Um halb acht nahm Kevin McBride auf der Terrasse allein das Frühstück ein. Es bestand aus Grapefruitsaft, Eiern, Toast und Pflaumenmarmelade und hätte jedem
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