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Der Raecher

Titel: Der Raecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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zuging - der Mann bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen, der Sohn unter ihrem Fenster ermordet. Wie immer, wenn vermeintlich Reiche an sehr Arme herantreten, reagierte sie zunächst mit Argwohn.
    Er hatte einen großen Blumenstrauß mitgebracht. Es war sehr, sehr lange her, dass sie Blumen bekommen hatte. Anna, das Mädchen aus dem Hotel, verteilte sie auf drei Vasen in dem schäbigen kleinen Zimmer.
    »Ich möchte über das schreiben, was Srechko zugestoßen ist. Ich weiß, das macht ihn nicht wieder lebendig, aber vielleicht kann ich den Mann entlarven, der ihm das angetan hat. Wollen Sie mir helfen?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß nichts«, sagte sie. »Ich hab ihn nie nach seiner Arbeit gefragt.«
    »Hatte er am Abend seines Todes etwas bei sich?«
    »Ich weiß nicht. Der Leichnam wurde durchsucht. Sie haben alles mitgenommen.«
    »Man hat den Leichnam durchsucht? Da unten auf der Straße?«
    »Ja.«
    »Hatte er Unterlagen? Hat er Notizen hinterlassen? Hier in der Wohnung?«

    »Ja, er hatte ganze Stapel von Papieren. Mit der Maschine getippte und handgeschriebene. Aber ich habe sie nie gelesen.«
    »Könnte ich sie mal sehen?«
    »Sie sind weg.«
    »Weg?«
    »Sie haben sie mitgenommen. Sogar das Farbband der Schreibmaschine.«
    »Die Polizei?«
    »Nein, die Männer.«
    »Was für Männer?«
    »Sie sind wiedergekommen. Zwei Tage später. Ich musste mich dort in die Ecke setzen. Sie haben alles durchwühlt. Sie haben seine ganzen Sachen mitgenommen.«
    »Und von dem Artikel, den er für Herrn Kobac geschrieben hat, ist gar nichts mehr übrig?«
    »Nur das Foto. Das Foto hatte ich ganz vergessen.«
    »Erzählen Sie mir bitte von dem Foto.«
    Mithilfe von Anna, die übersetzte, musste er ihr jede Information einzeln aus der Nase ziehen. Drei Tage vor seinem Tod hatte der junge Reporter Srechko eine Silvesterparty besucht und seine Jeansjacke mit Rotwein bekleckert. Seine Mutter hatte sie in den Wäschesack gesteckt, um sie später zu waschen.
    Nach seinem Tod erübrigte sich das. Sie vergaß den Wäschesack, und die Gangster dachten nicht daran, danach zu fragen. Als sie die Kleider ihres toten Sohnes auf einen Haufen legte, fiel die Jeansjacke mit den Weinflecken heraus. Sie klopfte die Taschen ab, um festzustellen, ob ihr Sohn Geld darin vergessen hatte, und fühlte etwas leicht Steifes. Es war ein Foto.
    »Haben Sie es noch?«, fragte Dexter. »Kann ich es sehen?«
    Sie nickte, kroch wie eine Maus zu einem Nähkasten in der Ecke und kehrte mit dem Foto zurück.
    Es zeigte einen Mann, der erst in letzter Sekunde bemerkte, dass er fotografiert wurde. Er hob die Hand, um sein Gesicht zu verdecken, doch der Auslöser hatte gerade noch rechtzeitig geklickt.
Er blickte direkt in die Kamera, stand in kurzärmligem Hemd und Freizeithosen aufrecht da.
    Es war ein Schwarz-Weiß-Foto, leicht verschwommen, aber scharf genug, wenn es erst vergrößert wäre. Ein besseres würde er wahrscheinlich nicht finden. Er vergegenwärtigte sich die Fotos von dem Teenager und dem Mann auf der Cocktailparty, die er in New York entdeckt hatte und im Futter seines Aktenkoffers bei sich führte. Sie waren grobkörnig, aber es war derselbe Mann. Es war Zilicć.
    »Ich würde Ihnen das Foto gern abkaufen, Frau Petrović«, sagte er. Sie zuckte mit den Schultern und erwiderte etwas auf Serbokroatisch.
    »Sie sagt, Sie können es haben«, übersetzte Anna. »Ihr liegt nichts daran. Sie weiß nicht, wer das ist.«
    »Eine letzte Frage. War Srechko vor seinem Tod eine Zeit lang weg?«
    »Ja, im Dezember. Eine Woche. Er wollte nicht sagen, wo er gewesen war, aber er hatte einen Sonnenbrand auf der Nase.«
    Sie brachte sie zur Tür und auf den windigen Außenflur, der zu dem defekten Aufzug und zum Treppenhaus führte. Anna ging voraus. Als sie sich außer Hörweite befand, drehte Dexter sich zu der serbischen Mutter um, die wie er ihr Kind verloren hatte, und sagte sanft auf Englisch zu ihr:
    »Sie können mich nicht verstehen, Lady, aber wenn ich dieses Schwein jemals in den Staaten hinter Gitter bringe, dann auch für Sie. Und zwar mit Freuden.«
    Natürlich verstand sie kein Wort, aber sie antwortete mit einem Lächeln und sagte: »Hvala.« Nach einem Tag in Belgrad hatte er gelernt, dass das »danke« bedeutete.
    Er hatte den Taxifahrer gebeten zu warten und setzte Anna, die krampfhaft ihre zweihundert Dollar umklammert hielt, vor ihrem Haus in einem Außenbezirk ab. Auf der Fahrt zurück ins Zentrum betrachtete er noch

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