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Der raetselhafte Kunstraub

Der raetselhafte Kunstraub

Titel: Der raetselhafte Kunstraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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einmalige Gelegenheit in die Hand gespielt hatte. Er nahm vorsichtig seine Schulmappe von dem anderen Stuhl, klemmte sie unter den Arm, und dann schoß er los. Wie ein Blitz war er drüben an dem anderen Tisch, schnappte sich die von Herrn Ambrosi abgestellten Schuhe und rannte weiter.
    Das Folgende passierte in Bruchteilen von Sekunden.
    Er jagte quer über den Richard-Wagner-Platz, flitzte gerade noch vor einer Straßenbahn der Linie 7 vorbei hinüber zum Hauptpostamt.
    Dort hingen gleich neben dem Eingang Briefkästen in allen Größen. Die einen für Luftpost, andere für den Ortsverkehr oder für Drucksachen. Der Schlitz am Kasten für Päckchen war am größten. Deshalb kam er auch zu dem Vergnügen, zuerst Signor Ambrosis linken und dann seinen rechten Schuh sozusagen als Frühstück verspeisen zu dürfen.
    „Glaubst du nicht, es wäre richtiger gewesen, wenn du die Schuhe verpackt und mit einer Adresse versehen hättest?“ kicherte eine ältere Dame, die gerade nebenan einen Luftpostbrief einwarf. „So ist es höchst unsicher, daß die Schuhe dort ankommen, wo du es haben willst, junger Freund.“
    „Was Sie nicht sagen“, keuchte Karlchen Kubatz und wurde knallrot um die Nase. „Aber beim nächsten Mal weiß ich jetzt Bescheid. Besten Dank.“ Er verbeugte sich kurz und verschwand in der Schalterhalle. Er wußte ja, daß es von dort noch einen zweiten Ausgang gab. Und durch den türmte er zwei Sekunden später in Richtung Herderstraße.
    Inzwischen hüpfte Señor Ambrosi in seinen braunen Baumwollsocken zwischen den Stühlen und Tischen der Eisdiele herum. „Wie in Chicago! Gangster am frühen Morgen! Caramba! Das waren ganz neue Schuhe! Erst gestern gekauft!“
    „Und sehr elegante Schuhe, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf 4 , meinte der Kellner mit den abstehenden Ohren.
    „Wer war das? Wissen Sie wenigstens, wer das war?“ brüllte der Südamerikaner.
    „Keine Ahnung“, mußte der Kellner zugeben. „Ich nehme aber an, daß dieses Individuum in das Prinz-Ludwig-Gymnasium geht. Von dort kommen sie nämlich, wenn hitzefrei ist, in ganzen Rudeln, und da ist er dann immer dabei. Wenn ich mich nicht täusche.“
    „Hoffentlich Sie täuschen sich nix“, rief Salvatore Ambrosi und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ich zerreißen das Biest in der Luft, wenn ich es kriege!“
    „Beruhige dich“, empfahl der Eisdielenbesitzer und Neapolitaner Rinaldi. „Zuerst müssen jetzt mal deine Schuhe wieder her.“
    „Und wie, wenn ich fragen darf?“ wollte Salvatore wissen.
    „Wir haben ja gesehen, wo er sie gelassen hat“, sagte der Kellner mit den abstehenden Ohren. „Ich werde mit dem Postdirektor reden, damit er mir den entsprechenden Briefkasten aufschließt.“
    Damit setzte er sich in Bewegung. Nach fünf Schritten blieb er noch einmal kurz stehen und drehte sich um: „Den Eisbecher hat er übrigens auch nicht bezahlt. Wir haben es also nicht nur mit einem Dieb, sondern auch mit einem Zechpreller zu tun.“
    „Warte, Kanaille“, brummte Salvatore Ambrosi und zerdrückte den Rest der Hugendubelschen Zigarre im Aschenbecher.

Was vor tausend Jahren passiert sein soll

    Im großen Sitzungssaal des Rathauses standen die Fenster weit offen. Trotzdem wurde die Hitze so gegen elf Uhr unerträglich.
    Der zweite Bürgermeister sprach gerade.
    „Wir haben deshalb unseren sehr verehrten Herrn Studienrat Purzer gebeten, uns allen noch einmal die Geschichte unserer Stadt vor Augen zu führen. Damit alle Veranstaltungen zur Tausendjahrfeier in Ihrem Sinne ...“
    „Entschuldigen Sie höflichst, Herr Bürgermeister“, unterbrach der Vorsitzende der Gemeindeversammlung an dieser Stelle den Redner. Er saß zusammen mit zwei Schriftführern etwas erhöht und hatte eine Glocke vor sich auf dem Tisch. „Eine Wortmeldung des Abgeordneten Hugendubel.“
    „Bitte sehr“, sagte der zweite Bürgermeister.
    Der Schokoladenfabrikant nahm seine Hand wieder aus der Luft und stand auf. „Entschuldigen Sie die Unterbrechung“, begann er. „Ich respektiere durchaus die Würde dieses hohen Hauses. Aber in Anbetracht der ungewöhnlichen Hitze hier im Saal möchte ich doch vorschlagen, daß jeder, der dazu Lust hat, sein Jackett ausziehen darf. Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Herr Bürgermeister!“
    Es hagelte aus allen Ecken Beifall.
    „Der Antrag ist hiermit angenommen“, stellte der Vorsitzende fest, als es im Saal wieder etwas ruhiger wurde.
    Man applaudierte ein zweites Mal, und gleich

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