Der raetselhafte Kunstraub
liebe Dame“, unterbrach jetzt Paul Nachtigall. „Es soll ja erst für morgen sein oder vielleicht auch erst zum Wochenende. Die Zeit spielt glücklicherweise bei mir überhaupt keine Rolle. Leider spielt aber etwas anderes eine Rolle. Das liebe Geld nämlich, wenn Sie wissen, was ich meine.“ In diesem Augenblick machte Fritz Treutlein vorsichtig die Tür auf: „Was passiert, wenn der Studienrat nicht mehr weiß, was er tun soll, und doch noch einen Weg findet, im Rathaus anzurufen?“ flüsterte er aufgeregt. Er war von seiner Zelle herüber durch den Regen gerannt.
„Kann er“, grinste Emil Langhans. „Da meldet sich niemand mehr. Manuel hat es ausprobiert.“
„Entschuldigung“, japste Fritz Treutlein und flitzte in seine Zelle zurück.
„Ja, es geht um eine Fahrt mit vier Personen nach Obermünzberg“, erzählte Paul Nachtigall inzwischen der Dame von der Autovermietung. „Wir dachten, daß wir schon morgens losfahren und erst abends zurückkommen, wenn das nicht zu teuer wird. Meine Frau würde mitfahren, die Schwester meiner Frau, also meine Schwägerin, und unsere Kleine. In Obermünzberg wohnt nämlich meine Schwiegermutter, und die ist schon zweiundachtzig. Sie war immer kerngesund, aber jetzt hat sie eine Nierengeschichte gehabt, und deshalb wollten wir ...“
Paul Nachtigall schaffte es, das Gespräch über volle vier Minuten hinzuziehen. Als ihm dann beim besten Willen nichts mehr einfiel, hob er seine linke Hand hoch.
„Achtung“, sagte einer der Jungen aus der Maximilianschule in der anderen Telefonzelle.
Fritz Treutlein warf seine Groschen ein und wählte zweimal die Zwei und einmal die Vier. Jetzt nahm Paul Nachtigall seine Hand herunter und hängte den Hörer zurück.
Beinahe gleichzeitig wählte Fritz Treutlein die zweite Vier. Kurz darauf war die Firma Lohmeier am Apparat.
„Sie führen ja Dauergespräche“, beklagte sich Fritz Treutlein. „So etwas müssen Sie sich als Taxiunternehmen abgewöhnen. Das ist ja so, als ob die Feuerwehr nicht zu erreichen ist. Man hat es doch eilig, wenn man bei Ihnen anruft.“
„Entschuldigen Sie“, sagte die Dame von der Autovermietung. Aber ich hatte da einen ausnahmsweise schwierigen Fall. Was können wir für Sie tun?“
Während jetzt Fritz Treutlein damit herausrückte, daß er eine Taxe brauchte, um ins Krankenhaus zu fahren, brütete Karlchen Kubatz immer noch über dem allerletzten Satz seines Artikels in der Nachtigallschen Wohnung. Dabei zuckte er jetzt plötzlich zusammen, als habe direkt vor dem Fenster der Blitz eingeschlagen.
In Wirklichkeit war es aber die Stimme von Studienrat Dr. Purzer, die ihn aufgeschreckt hatte. Sie kam aus dem Telefonhörer, der immer noch neben dem Apparat auf der weißen Tischdecke mit den himmelblauen Punkten lag, und rief immer wieder: „Hallo, ist dort jemand? Gehen Sie doch um Himmels willen aus der Leitung! Hallo! Oder ist dort die Störungsstelle? So antworten Sie doch!“
Karlchen Kubatz hielt die Luft an und starrte auf den Hörer.
Nach einer Weile war Studienrat Dr. Purzer wieder zu hören. Aber jetzt sprach er wohl mit seiner Frau: „Es ist zum Verzweifeln. Ausgerechnet heute muß der Apparat gestört sein. Die Leitung ist mausetot. Sie sagt keinen Pieps.“ Und dann rief er wieder ins Telefon: „Hallo, ist dort jemand?“ Anschließend legte er auf.
Karlchen Kubatz bekam eine Gänsehaut.
Am Kurpark und bei der Verkehrsinsel in der Hauptstraße guckten sich inzwischen Ulli Buchholz und Hans Pigge immer noch vergeblich die Augen aus dem Kopf. Weit und breit gab es nur Nacht und Regen. Nirgends eine Taxe.
Nur die Telefone in den Rufsäulen klingelten andauernd.
Endlich bog aus der Richtung der Herderstraße ein weißer Mercedes um die Ecke. Hans Pigge rannte in drei oder vier Sprüngen durch den Regen auf die Straße und breitete seine Arme aus.
„Das richtige Wetter für einen Ausflug auf die Zugspitze“, lachte der Taxifahrer. „Wo soll’s hingehen, junger Mann?“
„Zuerst mal in die Belzigerstraße 27“, bat Hans Pigge. „Dort müßten Sie allerdings ein paar Minuten warten.“
In der Belzigerstraße 27 wohnten die Großeltern von Hans. Anschließend wollte er sich zu einer Tante kutschieren lassen und dann noch zu seinem Patenonkel. Es war anzunehmen, daß sich alle über seinen unerwarteten Besuch freuen würden. Dabei konnte man sich dann auch über die Wahl am Sonntag unterhalten und vielleicht in die gelben Stimmkarten gleich eine Fünf eintragen.
Während
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