Der raetselhafte Kunstraub
zu Hause.“
„Das ist auch meine Meinung“, sagte Reviervorsteher Nielsen und lachte.
„Aber für alle Fälle mache ich später noch meinen Rundgang“, gab Polizeimeister Kalender bekannt. Dann nahm er seine Mütze vom Fensterhaken und setzte sie auf. „Also für morgen alles klar, meine Herren?“
Alles klar“, versicherten die versammelten Beamten.
„Oder hat noch jemand eine Frage?“ Herr Kalender machte ein paar Schritte und blickte seinen Polizisten der Reihe nach in die Augen. Wie ein General, der eine Ehrenkompanie abschreitet.
„Keine Fragen mehr“, sagten die Beamten im Chor.
„Dann allerseits eine gute Nacht“, grüßte Polizeimeister Kalender. Er nahm seine Hand an die Mütze und verschwand.
Draußen ging er durch den langen Korridor am großen Sitzungssaal vorbei in seine Wohnung. Er nahm sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und guckte eine Weile in den Fernsehapparat. Seine Frau saß in der Küche und modellierte an dem orangefarbenen Filz herum. „Das wird ein Hut zum Küssen“, strahlte sie.
Die Abendvorstellungen in den Kinos und im Stadttheater waren so ziemlich um die gleiche Zeit aus. Dann dauerte es im allgemeinen noch eine halbe Stunde, bis die Besucher in ihre Omnibusse oder Straßenbahnen geklettert waren.
Es war kurz vor elf Uhr, als sich Polizeimeister Kalender noch einmal sein Koppel umschnallte und die Mütze aufsetzte.
„In spätestens einer halben Stunde bin ich zurück“, sagte er. „Und dann wird gleich das Licht ausgemacht.“
Die Straßen waren jetzt schon beinahe ganz leer.
Der Polizeimeister wanderte durch die Gegend wie ein Spaziergänger. Er hatte die Hände auf den Rücken genommen und blickte sich um.
An der Ecke der Herderstraße begrüßte er Frau Bandel von der Milchbar, die gerade ihren Hund ausführte.
Später begegnete er Bademeister Pohmann vom städtischen Schwimmbad. Der hatte nach Feierabend noch ein Bierchen gezischt.
Und dann blieb Polizeimeister Kalender stehen. Was war das?
An der Ecke zum Karlsplatz trugen zwei Jungen ein Sofa über die Straße.
„Für Möbeltransporte eine ungewöhnliche Zeit“, überlegte Herr Kalender und stellte sich den beiden in den Weg.
„Wieso habt ihr das nicht tagsüber gemacht?“ Paul Nachtigall und Manuel Kohl stellten das Sofa ab und grüßten höflich.
„Wir haben vor einer Stunde ganz überraschend Besuch bekommen, wegen des Festzugs morgen. Und jetzt reichen die Betten nicht aus“, erklärte Manuel Kohl. „Da haben wir bei meinem Onkel dieses Sofa ausgeliehen.“ Polizeimeister Kalender sah sich die beiden Jungen genauer an. Sie waren außer Atem.
„Bist du nicht der kleine Kohl aus der Gärtnerei drüben?“
„Ja, ich heiße Manuel Kohl.“
„Und mich kennen Sie bestimmt aus dem Prinz-Ludwig-Gymnasium“, lächelte Paul Nachtigall. „Wir haben doch heute nachmittag diese blauen Plakate abgekratzt.“
„Stimmt“, nickte Polizeimeister Kalender. Aber jetzt macht, daß ihr nach Hause kommt, und grüßt eure Eltern.“
Er nahm seine Hände wieder auf den Rücken und spazierte zurück zum Kurpark. In einer Viertelstunde würde er im Bett liegen.
Paul Nachtigall und Manuel Kohl sahen dem Polizeimeister vergnügt hinterher. Sie ließen sich Zeit dabei.
„Wirklich ein reizender Mensch“, stellte Manuel fest.
„Ja, man kann es nicht anders sagen“, pflichtete Paul Nachtigall bei.
Als Herr Kalender hinter der Ecke zur Wielandstraße verschwunden war, packten die beiden Jungen wieder zu. Und jetzt zeigte es sich, daß genau da, wo gerade noch das Sofa gestanden hatte, eine schöne rote Fünf auf den Bürgersteig gemalt war. Ziemlich groß und mit Ölfarbe. Ähnliches passierte in der nächsten Stunde überall in der Stadt.
Immer wieder schleppten zwei Jungen ein Sofa über die Straße oder auch mitten über einen Platz. Es waren meistens sehr alte Möbelstücke, und ihre Überzüge hatten alle möglichen Farben. Nur eines hatten sie gemeinsam: Jedes Mal, wenn so ein Sofa abgestellt wurde, kam eine Hand aus seinem Boden und malte eine große Fünf auf das Pflaster oder den Asphalt. Das eine Mal mit roter und das andere Mal mit blauer Ölfarbe.
Die Sofas waren nämlich inwendig leer, und anstelle von Sprungfedern und Roßhaar waren sie mit einem Jungen gefüllt, der einen Kübel voll Farbe bei sich hatte und einen Pinsel. Solange er transportiert wurde, mußte er höllisch aufpassen, daß die Farbe nicht überschwappte, und wenn das Sofa dann wieder abgestellt wurde, kam
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