Der raetselhafte Kunstraub
schließlich das Geräusch eines Schlüssels, der sich im Schloß drehte.
„Was wünschen Sie?“ fragte Salvatore Ambrosi, als er die Tür geöffnet hatte. Er mußte gerade mitten beim Arbeiten sein. Seine Hände waren voll Lehm, und er hatte seine Hemdsärmel hochgekrempelt.
„Verehrter Meister“, keuchte Fritz Treutlein, „man erwartet Sie so schnell wie möglich im Rathaus. Es sei sehr eilig und ungeheuer wichtig. Ich bin gerannt, so schnell ich konnte. Bitte kommen Sie sofort.“ Fritz spielte aufgeregt mit seiner Handtasche.
„Das paßt mir aber überhaupt nicht“, knurrte der Südamerikaner. Er strich sich den Lehm von den Händen und feuerte ihn in eine Holzkiste. Anschließend ging er zum Wasserhahn.
„Man nicht hat seine Ruhe“, schimpfte Herr Ambrosi und blickte einen Augenblick zu dem Mädchen hinüber, das gar nicht so schlecht aussah.
„Ich - ich flitze schon voraus“, schlug Fritz Treutlein vor. Der Boden wurde ihm zu heiß, und er wollte nichts wie weg. „Ich sage schon Bescheid, daß Sie kommen.“ Er deutete so etwas wie einen Knicks an und war verschwunden.
Kurz darauf machte Herr Ambrosi in seiner Wohnung das Licht aus und schloß die Tür hinter sich zu. Den Fernseher abzuschalten, hatte er vergessen.
Der Junge mit dem fehlenden Vorderzahn hatte das Zuschlägen der Tür in seiner Küche gehört. Er stürzte an das offene Fenster zurück und pfiff leise wieder eine Melodie vor sich hin. Jetzt wußten alle Posten, daß Herr Ambrosi gleich aus dem Haus kommen mußte.
Als der Südamerikaner über die Straße ging und an der Ecke die Plakatsäule passierte, war wieder ein leises Pfeifen zu hören. Dieses Mal war es Hans Pigge, der damit signalisierte, daß der Südamerikaner bereits in die Schillerstraße einbog.
Jetzt setzten sich die Kohlschen Zwillinge in
Bewegung und folgten Salvatore Ambrosi mit einigem Abstand. Der eine Zwilling zu Fuß und der andere auf dem Fahrrad.
Noch etwas weiter zurück und auf der anderen Straßenseite folgte Ulli Buchholz mit seinem Langhaardackel.
Paul Nachtigall kam als erster aus seiner Deckung. Dann Emil Langhans und schließlich Karlchen Kubatz.
Alles war genau abgesprochen und funktionierte jetzt wie am Schnürchen.
Paul stellte sich auf der Rückseite des Hauses mit dem Rücken dicht an die Wand. Er spreizte die Beine, kontrollierte, ob er einen guten Stand hatte, und ging ein wenig in die Hocke.
Inzwischen zogen die beiden anderen ihre Schuhe aus. Geschickt kletterte jetzt Emil zuerst auf Pauls Oberschenkel und dann weiter auf seine Schultern.
Gleich hinterher kam Karlchen Kubatz.
Die drei hatten jetzt eine Pyramide gebaut wie Artisten im Zirkus.
Sie hatten allerdings den Vorteil, daß sie nicht mitten in einer Manege stehen mußten. Sie konnten sich an die Hauswand anlehnen, und schließlich mußte Karlchen Kubatz nicht aufrecht auf Emils Schultern balancieren. Es genügte, daß er ein Stück angehoben wurde. Dann bekam er nämlich schon das Fensterbrett in die Hände und konnte sich daran von selbst hochziehen, wie an der Reckstange im Turnunterricht.
Das kleine Fenster, das vermutlich zur Küche gehörte oder zum Bad, war schon während des ganzen Abends offengestanden, und der Südamerikaner hatte es auch nicht zugemacht, bevor er wegging.
Eigentlich hätte ja Hugendubel junior in die Wohnung klettern sollen, und er hatte sich darauf auch schon gefreut, denn Schleichen und Spionieren waren ja seine Spezialitäten. Aber dieses offene Fenster in der Wohnung des Südamerikaners war verdammt schmal. Und Sputnik war wohl klein, aber leider ziemlich dick. Er hatte deshalb selber zugeben müssen: „Da bleibe ich glatt stecken.“
Und jetzt war nur noch Karlchen Kubatz übriggeblieben. Alle anderen waren sowieso zu groß.
„Du hast Bewährungsfrist, und die Sache mit dem Artikel hast du auch noch nicht ausgefressen“, meinte Paul Nachtigall. „Das schmeckt mir gar nicht.“
„Mir eigentlich auch nicht“, hatte der Sohn des Hauptschriftleiters gesagt. Aber was bleibt uns anderes übrig?“
Und jetzt mußte sogar Karlchen Kubatz noch den Bauch einziehen. Zum Glück hatte er nur Hemd und Hose an. Er drehte sich wie eine Schraube, und dann stand er plötzlich in einer Küche.
Karlchen Kubatz rührte sich nicht vom Fleck und atmete ein paarmal tief durch. Sein Herz schlug nämlich bis zum Hals.
Als er sich ein wenig beruhigt hatte, knipste er eine Taschenlampe an. Er paßte auf, daß der Lichtschein immer hübsch auf dem Boden
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