Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
Waters bestand aus cleveren Jungs. Lange bevor Fish das Podium erreicht hatte, fingen ihn Scheinwerfer ein und tauchten ihn in grellweißes Bühnenlicht. Er sah schemenhaft aus, fast wie ein Special Effect, und schien mehr auf das Podium zu schweben als zu laufen. Der Prediger, der eine Gelegenheit zum Geldverdienen witterte, wenn es je eine gegeben hatte, übergab Fish ohne Begrüßung oder Vorwort das Mikrofon.
***
Fish erzählte den versammelten Gläubigen, wie er im Gefängnis zu einem neuen Leben gefunden hatte.
Sie liebten ihn. Der Lärmpegel stieg. Hier und da ertönten aufmunternde Rufe.
»Jeder redet über das Kreuz«, intonierte Fish, indem er sich geschickt drehte und allen Seiten gleich viel Zeit schenkte. »Das Kreuz hier, das Kreuz da. Aber bevor man eine wirklich schwere Zeit durchlebt, vergisst man manchmal allzu leicht, was das Kreuz wirklich bedeutet. Dass es einen vor harte Entscheidungen stellt. Dass man manchmal etwas zerbrechen muss, bevor man es richten kann. Ich denke an das Kreuz als das Instrument der Todesqualen unseres Herrn, und ich denke an all die furchtbaren Dinge, die er mir vergeben hat, all die furchtbaren Dinge, die passiert sind und noch passieren werden, und ich denke an all das viele Vergeben, das diese schlechte Welt da draußen noch braucht. Vergeben, das nicht stattfinden kann, ehe nicht einige Beichten und einige Veränderungen stattfinden!«
Sie stampften mit den Füßen. Zehntausend Leute.
»Ich bin es leid, ich bin es müde, dass diese große Nation so tut, als wäre jede Veränderung eine gute Veränderung und als wäre alles Neue automatisch etwas Gutes! Manche Dinge sind gut, weil sie einfach sind – beispielsweise, was macht eine Ehe aus, was macht eine Person zu einer Person, ob sie nun bereits geboren ist oder noch nicht, und was macht die Wahrheit! Könnt ihr Jesus begreifen? Seit ihr bereit, es ihm zu geben?«
Ein Gewittersturm.
Fish schwebte auf sämtlichen Schirmen hoch über ihnen, mit ausgebreiteten Armen und wehendem Bart.
Der Teufel stand zu seiner eigenen Überraschung ebenfalls auf den Beinen, hielt die Hände hoch erhoben und spürte den Geist.
Dann aber sammelte er sich verlegen und verließ die Kirche, um im Wagen zu warten.
***
Später, es war bereits nach Mitternacht, fuhr der Teufel alleine weiter. Fish blieb in der Stadt, um sein neues Amt als Buchhalter für die Kirche von Living Waters Inc. anzutreten, einer Non-Profit-Organisation, die ihren Non-Profit-Status trotz ihrer Anteile an einem Verlagshaus, einem profitablen Sommercamp und einer Kette familienfreundlicher Videotheken beibehielt.
Der Teufel fuhr nach L. A., wo Memory ihm in einem aufreizenden Outfit die Tür öffnete. Obwohl sie inzwischen auf die Fünfzig zuging, sah sie großartig aus. Sie achtete darauf, sich fit und fest und in Form zu halten, was dem Teufel sehr gefiel. Ihre Sitcom war nach zwei ordentlichen Staffeln abgestürzt, doch sie arbeitete noch gelegentlich bei Miniserien mit und nahm Rollen in Werbefilmen an.
Sie liebten sich und sahen hinterher bei Kerzenschein fern.
»Fish ist raus«, sagte er beiläufig.
»Ich weiß.«
»Er hat Jesus gefunden.«
»Das wage ich zu bezweifeln.«
»Er fand eine Kirche, die einen Buchhalter suchte. Und er ist kein schlechter Prediger, offen gestanden. Man fängt an, an Gott zu glauben, wenn man nur genügend Zeit in der Gesellschaft dieser Leute verbringt. Sie sind fanatisch wie Fußballfans.«
Memory schwieg.
»Zacharys Firma läuft gut«, sagte der Teufel.
»Ach – das weiß doch jeder!«
»Ich komme deshalb darauf zu sprechen, weil ich denke, es wäre nett, wenn ihr mal wieder zusammen auftreten könntet«, sagte der Teufel. »Nach all den Jahren, meine ich.«
»Was denn, als Band? Bestimmt nicht, José!«
Er schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Nicht als Band.«
Der Teufel wollte, dass sie das Internet unter ihre Kontrolle brachten.
»Nicht auf die dämliche ›Wir-beherrschen-die-Welt‹-Methode«, sagte er. »Ich denke nur, das Internet könnte nützlicher sein. Es könnte mehr Informationen enthalten. Informationen sind gut. When information moves, people improve .«
»Wenn Informationen fließen, werden die Leute klüger. Guter Slogan«, sagte Memory.
»Ach, halt die Klappe. Ich meine es ernst. Das Internet ist die entscheidende Architektur der Zukunft. Wir müssen es besser machen.«
»Und du erzählst mir das alles, weil …?«
»Das Internet braucht ein Gesicht. Ein kluges Gesicht. Ein
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