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Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Titel: Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Poore
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war einfach nicht scharf genug, also musste er sägen. Bisher hatte seine kleine Leiter nur drei Sprossen. Nach der vierten würde er aufhören. Schließlich war es bloß Neugier, die ihn dazu getrieben hatte.
    »Es ist nicht das, wonach es aussieht«, sagte er zu dem Arzt.
    »Es ist ein Hilferuf«, sagte der Doktor mitfühlend.
    »Hey, wenn Sie versuchen, mir zu helfen, dann …«, brüllte der Teufel. »Ich schwöre bei Gott , ich werde …«
    » Weinen Sie?«
    Der Teufel zog sich das Plumeau über den Kopf. »Ich hasse euch Menschen!«, sagte er. »Ich hasse euch alle!«

32
Offenbarungs-
Ninja
San Francisco, 1997
    Der Teufel holte Fish in seiner JFK -Limousine ab. Es war an dem Tag, an dem er aus dem Gefängnis entlassen wurde. Fish kam durch ein massives doppeltes Gittertor. Er trug lose sitzende weiße Kleidung und Sandalen, und sein Haar war lang. Oben auf dem Schädel war es ein bisschen dünn geworden, aber hinten fiel es bis auf die Schultern. Sein Gesicht war auf einer Seite verätzt, vom Haaransatz bis zum Kiefer.
    Sie wollten nach San Francisco fahren, doch auf halbem Weg nach Missouri wäre Fish beinahe aus dem Wagen gesprungen. »Stopp!«, rief er. »Das ist ja irre! Sofort anhalten!«
    Die Limo kam mit kreischenden Reifen vor einem beeindruckenden rautenförmigen Gebäude zum Stehen. Es war eine Kirche – doch sie war anders als alle Kirchen, die Fish bisher gesehen hatte. Sie war groß genug für eine Armee. Neben dem Parkplatz gab es einen Ententeich mit einem fünfzehn Meter hohen Jesus aus Fiberglas.
    »Wundervoll!«, krähte Fish, als er ausstieg und über den leeren Parkplatz rannte.
    Der Teufel parkte die Limousine und fluchte leise in sich hinein.
    »Scheißdreck«, murmelte er. Kirchen machten ihn – verständlicherweise – wütend. Die Leute ließen sich auf Religion ein, weil sie sich nach der Gesellschaft und Anerkennung anderer sehnten. Es war die älteste Droge auf dem Markt. Leute, die behaupteten, Jesus gefunden zu haben, hatten in Wirklichkeit Jesus-People gefunden.
    In der Kirche holte er Fish ein.
    Fish wanderte gaffend durch eine drei- oder viertausend Quadratmeter große Vorhalle. Unter hoch aufragenden Stahlträgern und riesigen Oberlichtern standen Gruppen von Sofas und Sesseln. Auf der gegenüberliegenden Seite gab es drei massive Doppeltüren nebeneinander. Er stieß die mittleren Türen schwungvoll auf – und hielt inne.
    Der Teufel schloss zu ihm auf. Da standen sie nun und starrten auf eine Landschaft von zehntausend Theaterstühlen, alle einem Podium zugewandt, mit zwei Rednerpulten, einem Piano und genügend Musikinstrumenten für ein komplettes Rockfestival. Riesige Videowände aus zehn und mehr Fernsehern starrten sie von den Mauern herunter an.
    »Meinst du, man könnte sagen, dass diese Leute süchtig sind?«, fragte Fish ziemlich beeindruckt und ein wenig atemlos.
    Der Teufel nickte. »Man nennt es Megakirche«, erklärte er. »Sie haben ihre eigenen Fernsehsender und alles.«
    »Ich könnte mit diesen Leuten arbeiten«, sagte Fish.
    »Es ist ein einziger riesiger Schwindel«, erwiderte der Teufel. Er musste an den echten Jesus denken und hatte das Gefühl, es ihm schuldig zu sein, dass er etwas sagte.
    »Es ist eine Goldgrube. Geld, das nur darauf wartet, verdient zu werden«, sagte Fish.
    ***
    Fish überredete den Teufel, bis nach dem abendlichen Gottesdienst zu bleiben. In der Megakirche gab es jeden Abend einen Gottesdienst, wie sich herausstellte.
    »Weil der Teufel niemals ruht!«, dröhnte ein Prediger – einer von vieren.
    »Ich werd nicht mehr!«, flüsterte der Teufel, der sich an der rückwärtigen Wand in einen Sessel hatte fallen lassen. Fish saß zu seiner Rechten und zitterte vor Aufregung.
    Der Prediger schwebte auf allen Seiten über der versammelten Gemeinde, auf Hunderten von Bildschirmen, unentwegt lächelnd, mit seinem Missouri-Kurzhaarschnitt und den fanatischen, hell leuchtenden Augen.
    Es war schwer, sich nicht anstecken zu lassen. Die gigantische Kirche, die Musik der elektrischen Gitarren, untermalt von einem hallenden Chor, riss das Publikum buchstäblich mit. Die Luft schien adrenalingeladen. Hier und da erhoben sich Gottesdienstbesucher von ihren Plätzen und rissen die Hände hoch, um dann wie erschossen wieder auf den Sitz zu fallen.
    Und dann rannte Fish mit wild flatterndem weißem Gefängnisoverall, zerzaustem Greisenbart und flip-floppenden Duschsandalen durch einen der breiten Gänge nach vorn.
    Die Technik-Crew von Living

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