Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

gleich daneben. Millionen Menschen starrten fassungslos vor Entsetzen auf die Bildschirme.
    Der Teufel bleckte die Zähne und weinte heiße Tränen. Wie alle anderen auch stand er wie erstarrt da und glotzte.
    Die beiden Türme brannten wie qualmende Fackeln vor dem makellos blauen Septemberhimmel.
    ***
    Memory spürte sonnenheiße, sengende Hitze.
    Dann war alles voller Rauch, und der Boden neigte sich unter ihr in irrem Winkel.
    Hier Funken. Dort der Lift.
    Qualm jagte durch den Gang. Sie zog sich die Jacke über den Kopf und kroch … wohin?
    Dann erzitterte die Welt auf eine Weise, als würde ein Frachtzug aus dem Himmel stürzen. Ohrenbetäubender, bebender Donnerhall.
    Funken. Rauch.
    Und dann ein Gefühl, als würde sie herausgeschleudert, durch Wände hindurch nach draußen in die kühle frische Luft, umgeben von Wolken aus Staub und Papier, und das Gefühl zu fallen.
    ***
    Feuerwehrleute brachten sie auf einer Trage in ein Zelt. Sanitäter gingen ihre Sachen durch, suchten nach Wunden und fanden nichts als Kratzer.
    »Irgendjemand hat gesagt, sie wäre gefallen«, sagte einer der Sanitäter. »Zusammen mit dem Gebäude, als es eingestürzt ist.«
    »Nie im Leben.«
    »Ich sage ja nur, was der andere Typ erzählt hat.«
    »Sie wacht nicht wieder auf.«
    Sie schickten Memory nach Norden, die Stadt hinauf, wo sie in einem Bett lag und sich nicht rührte, es sei denn, sie wurde bewegt.
    ***
    Selbstverständlich gab es Krieg.
    Es war eine Weile her, seit es einen guten Krieg gegeben hatte.
    Krieg, rief sich der Teufel in Erinnerung, war wie ein Abführmittel für Geld und neue Ideen. Krieg reinigte die nationalen Rohre.
    Diesmal jedoch geschah etwas Seltsames. Es stellte sich heraus, dass die Leute den Krieg nicht so mochten, wenn sie ihn live im Fernseher ansehen oder in Echtzeit auf ihre Computer streamen konnten. Jedes Mal, wenn ein Amerikaner getötet wurde, erbleichten sie. Sie murrten. Als zehn Amerikaner getötet worden waren, war das Murren zehnmal lauter geworden. Welches Land konnte in so einer Situation einen Krieg führen?
    Der Teufel, in sich zusammengesunken an Memorys Bett, schimpfte lautlos in sich hinein.
    »Wo sind sie geblieben?«, schäumte er. »Die Tage, als man fünftausend Soldaten opfern konnte, und die Leute haben es geschluckt und von Pflichterfüllung gefaselt? Wenn das so weitergeht, erreichen wir überhaupt nichts mit diesem Krieg.«
    Er rief Fish an.
    »Lenk sie ab«, sagte er zu Fish.
    ***
    Living Waters Ministries schickte siebzehn neue Televangelisten auf Sendung, angeführt von Fish persönlich.
    »Vertraut Jesus!«, riefen die Televangelisten. »Gott hat einen Plan! Gott hat einen Plan, wie er diesen Krieg gewinnen wird!«
    Alle fünfzehn Minuten huschten eingängige Werbespots über den Schirm und boten neue, aufregende und gottgefällige Dinge feil. Beispielsweise eine Art Schwamm an einem Stiel, mit dem es endlich einfacher wurde, die Innenseite der Windschutzscheibe zu säubern! Oder eine Chemikalie, die man in die Dusche sprühte und die den Schimmel bekämpfte, ganz ohne Schrubben! Viele der Werbespots drehten sich um die Gesundheit. Es gab einen GPS-Apparat, der automatisch ein Notsignal aussandte, sobald er entdeckte, dass der Herzschlag des Trägers aussetzte. Eine Pille, die es ermöglichte, eine ganze Nacht lang eine Erektion zu haben. Ein schnell wirkendes Medikament gegen Nebenhöhlenentzündungen und ein Medikament, das vierundzwanzig Stunden lang wirkte. Es war wie üblich sündhaft teuer, doch zurzeit gab es ein spezielles Angebot, wenn man innerhalb zehn Minuten anrief. Schließlich richtete Living Waters Ministries einen Vollzeit-Pillenkanal ein, und die Leute sahen sich das Programm an wie ihre sonntagmorgendlichen Zeichentrickserien.
    ***
    Auf diese Weise verging der größte Teil eines Jahres.
    Der Teufel hatte jede Menge zu tun.
    Der Krieg war beängstigend und kostspielig. Ihn im Gang zu halten bedeutete harte Arbeit, insbesondere nachdem offenkundig geworden war, dass er nichts bewirkte.
    Es gab Fernsehen, und es gab Jenna. Drei Jahre lang hatte der Teufel bereits seine Beziehung mit Amerikas beliebtestem Bad Girl. Drei sehr öffentliche Jahre lang. Einmal waren sie sogar dabei gefilmt worden, heimlich in der Nacht, wie sie sich in einem Pool in Malibu geliebt hatten. Jennas CD -Verkäufe waren explodiert. John Scratch blieb für alle Welt ein Rätsel. Er blieb bei seiner Behauptung, der Präsident Frankreichs zu sein. Seine Fans starteten Blogs, in