Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
langstieligen Pfeife.
»Du hast mich getroffen!«, sagte Wahsinatawah anklagend.
»Du wolltest meinen Bock schießen. Ich habe ihn den ganzen Weg vom Fluss herauf bis hierher gejagt.« Der Teufel bedachte Wahsinatawah mit einem Blick aus zusammengekniffenen Augen und staunte über die Größe seines Schädels. »Ich sag dir was.« Er deutete mit dem Stiel seiner Pfeife auf Wahsinatawahs blutendes Bein. »Entweder ich zieh ihn raus und heile dein Bein, oder du nimmst einen Pfeil und schießt mich ins Herz. Aber ich warne dich – wenn du vorbeischießt, bin ich wieder an der Reihe.«
Wahsinatawah kaute auf seiner Lippe. Der Jäger in ihm war hypnotisiert von dem Gedanken, den Teufel zu erschießen und als Beute in sein Dorf zu tragen. Es war die eine, einzige Sache, die ihm vielleicht eine Squaw einbringen konnte.
»Ich schieße«, entschied er.
»Es ist ein guter Tag zum Sterben«, sagte der Teufel, ging ein paar Schritte zurück und schloss die Augen.
Wahsinatawah legte einen Pfeil auf, zielte und ließ ihn fliegen.
Es gab einen dumpfen Schlag, als wäre der Pfeil vorbeigegangen und hätte sich in einen Baum gebohrt, doch das war nicht der Fall. Er saß genau im Ziel, steckte zitternd in der Brust des Teufels, als wäre dieser aus Holz.
»Oh, verdammt!«, sagte Wahsinatawah, als der Teufel nun seinerseits einen Pfeil auflegte. Er suchte verzweifelt nach einem klugen Spruch, irgendetwas, das sein Leben retten konnte.
Der Teufel ließ den Pfeil fliegen …
… und fehlte. Der Pfeil zischte zwischen den Bäumen hindurch.
Irgendetwas hatte den Teufel im allerletzten Augenblick abgelenkt. Wahsinatawah drehte sich um und erblickte ein Mädchen in einem Hirschlederkleid. Sie hatte wilde feurige Augen und kniete neben dem sterbenden Bock. Sie fuchtelte mit den Händen über dem Tier und kippte dann vornüber, als wollte sie es umarmen.
Der Teufel ging zu ihr. Sie richtete sich ruckhaft auf und starrte ihn an.
Ihre Augen blickten unsicher, doch nicht verängstigt. Der Teufel öffnete den Mund, um etwas zu ihr zu sagen, doch sie wirbelte herum und rannte zwischen den Bäumen hindurch davon, bevor er einen Laut hervorgebracht hatte.
Der Teufel war wie der Blitz hinter ihr her.
Wahsinatawah zog sein Messer und war hin- und hergerissen, ob er zuerst den Pfeil aus seinem Bein schneiden oder den Hirsch versorgen sollte.
Er entschied sich für den Hirsch. Dann das Bein. Dann verlor er das Bewusstsein.
***
»Bleib stehen, Frau!«, befahl der Teufel.
»Warum? Damit du mich nach Hause zerren und auffressen kannst?«
»Ich bin kein Monster!«, sagte der Teufel.
»Du bist der Teufel, oder?«
Der Teufel machte einen Satz, riss sie hoch und blieb stehen. Sie lag in seinen Armen.
»Es ist ein Unterschied, ob man der Teufel ist oder ein Monster«, erklärte er.
Sie schlang die Arme um seinen Hals, hob den Kopf und sah ihm in die Augen. Offensichtlich gefiel ihr, was sie sah.
»Nimm mich mit zum Schwimmen«, sagte sie.
***
Wahsinatawah wachte im Gebüsch auf. Der ausgeweidete Hirsch hing neben ihm an einem Ast. Wahsinatawah spürte einen Anflug von Fieber hinter den Augen. Er wusste, dass er nach Hause musste, damit der Heiler Schlangenpisse auf die Wunde rieb, oder er würde daran sterben.
Er schnitt den Hirsch vom Baum, packte das beste Fleisch ein und humpelte mit seiner Beute durch den Wald davon.
Wäre nicht die Ablenkung durch das Fieber gewesen, wären die Dinge vielleicht besser für ihn gelaufen.
Ganz bestimmt hätte er die Stimmen gehört oder vielleicht sogar etwas Ungewöhnliches gerochen. So jedoch stolperte er mehr oder weniger ahnungslos auf eine Lichtung, wo fünf Männer um ein qualmendes Lagerfeuer saßen. Sie trugen glänzende Helme und hatten mächtige, Furcht einflößende Bärte. Ihre Augen waren böse, ihre Haut bleich wie die von Leichen.
Sie starrten Wahsinatawah an, überrascht von seinem plötzlichen Auftauchen und seinem riesigen Kopf, doch sie fingen sich rasch wieder und schlugen ihn bewusstlos.
***
Unten am Fluss war der Teufel vollkommen überrascht, als das Mädchen ohne Zögern aus seinem Kleid stieg und ins Wasser rannte.
Er folgte ihr.
Sie spielten keine Spielchen miteinander. Keine gezierten Worte, kein Haschmich. Nichts außer Blicken und Wissen und Verlangen. Innerhalb weniger Minuten hatten sie sich ineinander verliebt. Wie es manchmal eben geschieht.
Sie kamen im Wasser zusammen wie ein Fisch. Sie rieb sich stöhnend an ihm, und obwohl das Verlangen des Teufels
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