Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
eine einzelne Saite an, so leise, dass es Zufall gewesen sein konnte. Ein Ton wie ein Geist. Memory erschauerte.
Der Teufel spielte einen Akkord, der so hohl klang, als käme er von weit, weit weg.
Two-John straffte die Schultern und knackte mit den roten Knöcheln. Der Nebel bewegte sich um ihn herum wie eine Seele.
Neben ihm sprang ein Frosch auf die Veranda. Hinter dem Haus stieg ein Helmspecht flatternd in die Luft.
Two-John grinste sein listiges Grinsen. »Ich spiele den Blues, Teufel«, sagte er, »und dann spielst du den Blues, und dann werden wir sehen, wer was bekommt.«
»Abgemacht«, sagte der Teufel.
***
Two-John schloss die Arme um seine Gitarre, als wäre sie eine Geliebte. Sein Bart, seine Hände, alles an ihm waren mit einem Mal umgeben von einer Aura unaussprechlicher Traurigkeit.
Er spielte die erste Note. Der Klang schien endlos lange nachzuhallen.
Dann ein zweiter, trunken und blutend und barfuß, und noch einer, tief wie ein Brunnen. Schneller und schneller kamen die Klänge. Bald fielen sie wie Tränen.
Es waren schwere Töne. Die Sorte, die wie in leeren Räumen klangen und einen innerlich in Aufruhr versetzen.
Two-John versuchte nicht, so zu spielen, wie seiner Meinung nach Bedauern klang oder Trauer oder Herzeleid, denn beim Blues geht es nicht um diese Dinge. Nicht wenn man den Blues sein lässt, was ihn ausmacht. Und Two-John ließ ihn sein, was er war. Sein Blues war so vollkommen, dass niemand zu sagen vermochte, wann der Song endete und Two-John aufhörte zu spielen. Sie hätten den ganzen Tag dasitzen können und an die eigenartigen Dinge denken, die der Song ihnen erzählte, an die er sie erinnerte, und mit leeren Augen in den Dunst über dem Wasser starren, wäre nicht der Specht zurückgekehrt, ein vorbeihuschender Schatten, und hätte er sie nicht mit seinem Schrei geweckt.
***
Als der Teufel zu spielen anfing, klang es im ersten Moment geradezu trivial im Vergleich zu dem, was Two-John gespielt hatte, beinahe wie eine Parodie. Memory hielt es für einen Witz – zuerst.
Doch die Akkorde wurden stärker.
Es war kein trauriges Stück. Nicht alle Blues-Stücke sind traurig. Nicht alle Blues-Songs klagen. Manchmal heulen sie auch.
Der Teufel bearbeitete seine Gitarre wie ein alter krummer Hund.
Der Song war wie ein Autowrack, nur mit Rhythmus.
Er war, als würde man erstochen, nur mit Rhythmus.
Er war wie schneidende Rasierklingen, mit einem Rhythmus wie hundert Dampfloks und dem Klang von tausend Gitarren. Je härter der Teufel spielte, desto mehr schien er wie der Teufel zu werden. In dem weißen Dunst waren seine Augen, diese rot leuchtenden Augen, die einzigen Farbtupfer.
Der Teufel kannte das Geheimnis des Blues ebenfalls, und er wusste auch, dass es beim Blues um den Bluesman ging. Es war kein Blues über Einsamkeit, und es war kein Blues, der die Zuhörer ins Nichts starren ließ, erfüllt von einem Gefühl der Leere und Düsternis. Nein, dieser Blues wollte den Leuten Angst machen, Todesangst, weil irgendjemand für all das bezahlen würde, verdammt! Der Teufel war aus dem Himmel! vertrieben worden, und Gott! hatte ihm seine wahre Liebe gestohlen, und diese wahre Liebe hatte ihn zu vier verschiedenen Zeitpunkten im Stich gelassen. Er hatte sie seit dreihundert Jahren! nicht mehr gesehen, und als er nun die Gitarre spielte, da war es, als würde er die Schöpfung selbst strangulieren, weil niemand! jemals! nirgendwo! einen solchen Blues gehabt hatte wie der Teufel.
Als der Teufel schließlich innehielt, bedeckt von Schweiß und Tränen und Spanischem Moos, war er selbst von dem eigenen Spiel zu Tode verängstigt.
***
Two-John verließ die Veranda und ging ins Haus. Er kam mit einem Seesack über der Schulter zurück, seine Gitarre in einer Jutetasche unter dem Arm. Zuvor hatte er ausgesehen, als gehörte er in eine andere Welt. Jetzt schien er sich in dieser hier zu sammeln.
Er stieg die Stufen hinunter, in den Dunst und das Wasser, und watete zu der wartenden Piroge.
»Ich glaube nicht, dass sie uns alle drei trägt, John«, sagte der Teufel, der am Heck stand und nach irgendetwas suchte, wo er seine Pfeife hineinstecken konnte.
Doch Two-John warf seinen Seesack und die Gitarre ins Boot. »Ich steige nicht ein«, sagte er. »Du steigst aus.«
Er packte das Boot und schaukelte es, und der Teufel kippte rücklings ins Wasser.
Memory hätte sein Schicksal geteilt, besaß aber die Geistesgegenwart, in dem schmalen Boot sitzen zu bleiben.
Der Teufel
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