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Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Titel: Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Poore
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Platz mit einem geschmückten, beleuchteten Weihnachtsbaum. Würde er dort ein Motel finden? Und falls ja, wie sollte er ein Zimmer bezahlen? Konnte er jemanden überreden, ihn telefonieren zu lassen und sich Geld per Drahtüberweisung schicken zu lassen?
    Mist – wen sollte er denn anrufen? Von wem sollte er sich Geld schicken lassen?
    Möglich, dass er sich einen Zufluchtsort suchen musste. Einen Schutzraum, unter einer Kirche. Doch als er weiterlief, wurde ihm bewusst, dass die Kirchen in Troy, Ohio, aller Wahrscheinlichkeit nach keine Schutzräume hatten. Sie brauchten keine. Das hier war schließlich nicht Buffalo. Die Kirchen hier waren ausschließlich für Leute, die in Kirchen gingen.
    Hin und wieder glitt ein Familienauto durch die Straße auf dem Weg zur Mitternachtsmesse. Die Christmette, mit Kerzen und Weihnachtsliedern und allem Drum und Dran. Die Leute fuhren an ihm vorbei. Manchmal winkten sie.
    Er blieb stehen.
    Die Christmette! Heureka! Es gab sie in jeder Stadt! Vielleicht sogar in jeder Kirche. Er konnte sich hineindrücken und ein bisschen aufwärmen. Vielleicht bekam er sogar einen Bissen zu essen, falls es hinterher einen Imbiss gab.
    Die Idee weckte seine Lebensgeister.
    Er fing gerade eben an, Midnight Clear zu summen, als die Cops neben ihm hielten, um ihm Frohe Weihnachten zu wünschen. Wahrscheinlich, überlegte Fish, waren sie am Heiligen Abend nicht auf der Suche nach jemandem, den sie schikanieren konnten.
    »Fröhliche Weihnachten«, sagte der Beifahrer, wobei er das Seitenfenster herunterließ und die Hand auf eine Weise ausstreckte, von der Fish wusste, dass sie »Hallo« und zugleich »Stopp« bedeutete.
    Fish blieb stehen, sagte ebenfalls »Fröhliche Weihnacht« und trottete zum Streifenwagen.
    »Können wir Sie ein Stück mitnehmen?«
    Fish beschloss, mehr oder weniger bei der Wahrheit zu bleiben.
    »Ich wollte mit dem Bus nach Miami«, sagte er. »Aber dann ist mir die Knete ausgegangen. Jetzt suche ich nach einem warmen Plätzchen, bis ich einen Freund anrufen und mir Geld schicken lassen kann. Ich bin gerne bereit, für ein Zimmer und etwas zu essen zu arbeiten. Ich will keinen Ärger.«
    »Was für ein Zufall!« Der Cop grinste. »Wir wollen nämlich auch keinen!«
    Sie ließen ihn auf der Rückbank Platz nehmen und fuhren ihn die Hauptstraße entlang zu einem Laden, der sich Helen of Troy nannte, ein Motel und Restaurant gleich neben der Interstate. Sie brachten ihn nicht in Verlegenheit, indem sie ihn zur Rezeption eskortierten. Stattdessen rief der Fahrer über sein Funkgerät im Motel an. Er verlangte nach einer gewissen »Deb«, die im Dienst war und die er zu kennen schien, und fragte, ob sie Fish über Nacht unterbringen könne, oder zumindest, bis die Banken wieder aufmachten.
    »Na klar, Ricky«, antwortete Deb. »Wir haben schließlich Weihnachten.«
    Die Cops blieben nicht, um sich zu überzeugen, dass Fish nett zu Deb war. Sie setzten zurück, hinterließen ihre Reifenspuren im frischen Schnee und rollten in Richtung Innenstadt davon, auf den Platz und den großen Weihnachtsbaum zu.
    Zwei Minuten später hatte Fish ein Zimmer, in dem es nach Zigaretten und Shampoo roch und das mit einem Farbfernseher ausgestattet war. Er setzte seine Mütze ab und strich sich mit den Fingern durch die langen, fettigen Haare.
    Ihm kam die Idee, dass er duschen könnte. Verdammt, er konnte wahrscheinlich sogar ein paar Sachen waschen, zumindest seine Unterwäsche.
    Er drehte das heiße Wasser auf und entschied sich für ein Bad. Der Raum dampfte wie die Niagarafälle.
    Fish ließ sich in die Wanne sinken und von der Wärme umfangen. Ließ sie seinen Körper durchdringen und sich von ihr lockern.
    Entspannt begann er Pläne zu schmieden. Diese Pläne schlossen Arbeit ein. Fish mochte Arbeit nicht besonders, hatte aber keine Wahl. Vielleicht hatten sie in Ohio genügend guten Willen, um ihn für ein paar Tage zu beschäftigen, als Tellerwäscher oder Etagenfeger. Lange genug, bis er sich ein Busticket nach Miami leisten konnte und ausreichend Essensgeld beisammen hatte. Und dann …
    Er schlief in der Badewanne ein.
    Als er aufwachte, war das Wasser lauwarm, und er hatte nichts anderes mehr im Sinn, als unter die frischen weißen Laken zu schlüpfen. Er trocknete sich halbherzig ab und stolperte nackt in die relative Kühle des Schlafzimmers, das nur vom blauen Lichtschein des Fernsehers erhellt wurde. Der Teufel saß an dem kleinen runden Tisch beim Fenster und zerdrückte eine

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