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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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sie so angefahren hatte, sah mit mürrischem Gesicht zu.
    »Was tust du da?« fragte sie nach einer Weile.
    »Ich schmelze die Masse in diesem Krug, um zu schauen, ob etwas darin liegt.«
    Als das Wasser heiß wurde, begann die harzige Substanz zu schmelzen, und ein aromatischer Geruch stieg auf. Es schien tatsächlich eine Art Balsam zu sein. Jean-François goß die Flüssigkeit aus. Auf dem Boden des Kruges fand er ein Stück Leinwand, und darin eingeschlagen lag etwas Hartes, Rotbraunes.
    »Was ist das?« fragte Pauline. Sie fröstelte.
    Jean-François zuckte mit den Schultern, obwohl er zu ahnen glaubte, worum es sich handelte.
    »Können Sie mir sagen, was das hier ist?« erkundigte er sich am nächsten Morgen bei Auguste Minxit, dem Anatomieprofessor der Universität.
    »Das ist eine menschliche Leber«, erwiderte Minxit ohne Zögern. »Sie muß lange einbalsamiert gewesen sein. Wo haben Sie sie her?«
    »Aus Ägypten«, rief Jean-François lachend, denn mit dieser Auskunft war seine Ahnung bestätigt. Er hatte das Rätsel der Kanopen gelöst. Diese Krüge waren keine Götterbilder oder Symbole des Nilwassers, wie die Gelehrten glaubten,sondern Vasen, die zum System der Einbalsamierung gehörten – und ihr Name war nicht griechischen, sondern ägyptischen Ursprungs. Grenoble besaß zwei verschiedene Exemplare, aber die Ägypter kannten derer, wie Jean-François aus den Berichten der ägyptischen Kommission wußte, insgesamt vier, gekrönt jeweils von einem Schakal-, Affen-, Sperber- oder Frauenkopf. Die vier Häupter auf den Kanopen, folgerte Jean-François, entsprachen den vier Genien, die dem Totengericht vorstanden: Die Frau verkörperte die Güte, welche die Seele am Richterstuhl in Empfang nimmt, der Sperber war ein lebensspendender, der Schakal ein todbringender Gott, und der Affe stand für die göttliche Gerechtigkeit. Abbildungen dieser vier Genien fanden sich auch auf den Schreinen und den inneren Umhüllungen vieler Mumien, und die Kanopen beherbergten die wichtigsten Organe – Herz, Leber, Milz, Hirn – für die Ewigkeitsreise des Toten.
    Ich werde eine Denkschrift über die Kanopen verfassen und vor der Akademie verlesen, beschloß Jean-François und eilte frohgemut in seine Klasse, die er zu seinem nicht geringen Erstaunen leer vorfand. Nur ein spindeldürrer Abbé, im Hause verrufen als Faktotum und Spion des Marquis de Fontanes, des neuen Großmeisters der Universität, saß in einer der leeren Bänke und schien ihn offensichtlich zu erwarten.
    »Professor Champollion, schön, daß Sie kommen«, sagte er mit teilnahmsloser Stimme, »der Großmeister wünscht Sie zu sprechen.«
    »Wo sind die Studenten?«
    »Ich habe sie nach Hause geschickt.«
    »Wieso schicken Sie meine Studenten weg«, brauste Jean-François auf.
    »Der Großmeister hat es so angeordnet«, lautete die lakonische Antwort.
    Wütend folgte Jean-François dem Abbé, doch zugleich fühlte er sich unbehaglich. Was hatte das zu bedeuten? Er dachte an die Warnungen Jacques-Josephs.
    Marquis de Fontanes war ein Staatsmann, kein Gelehrter;er hatte zur Berater-Korona des Exil-Königs gehört und als bourbonischer Einflußagent an diversen europäischen Höfen ein ziellos-dekadentes Leben geführt. Der König hatte ihn nach Grenoble geschickt, um hier die Restauration voranzutreiben, worüber der Marquis sehr ungehalten war, denn seine Sympathie gehörte Paris, der Stadt des Lasters und der Völlerei. Fett und wie stets übellaunig, saß Fontanes in seinem Arbeitszimmer und frönte am Schreibtisch seiner maßlosen Freßgier. Obwohl es erst Vormittag war, trank er bereits Wein und verzehrte, geschickt mit dem zierlichen Besteck hantierend, einen gebratenen Kapaun. Er schickte den Abbé mit einem Wink fort, bot Jean-François keinen Stuhl an, und während er den Professor aus seinen wäßrigen Augen musterte, sagte er kauend: »Monsieur Champollion, es dringen allerlei Klagen über Sie an mein Ohr –«
    »Merkwürdig«, unterbrach ihn Jean-François, »ich bin nun seit fast fünf Jahren an der Universität, und bislang hat sich niemand über mich beklagt.«
    »Unterbrechen Sie mich bitte nicht«, raunzte der Dicke, verärgert darüber, daß der junge Mann ihm einfach ins Wort fiel. »Es ist mir egal, was vorher hier galt in Ihrer Republik . Jetzt herrschen wieder andere Sitten. Um es kurz zu machen: Ich werde es nicht dulden, daß Sie unsere Studenten Theorien lehren, die ihr Vertrauen in die heilige Mutter Kirche erschüttern.«
    »Das

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