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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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durchaus nicht an Zeit, aufs neue umherzuschauen, denn niemand kam zum Vorschein, und nachdem er zwei- oder dreimal geläutet hatte, setzte er sich auf seine Truhe und wartete.
    Er läutete noch sehr oft, und doch kam niemand. Endlich aber, als er, auf seiner Truhe sitzend, eben an Riesenschlösser dachte, an Prinzessinnen, die mit ihren Haaren an Pflöcke gebunden waren, an Drachen, die aus Toren hervorbrachen, und an ähnliche Abenteuer, die in den Märchenbüchern immer den jungen Leuten niedriger Herkunft zustoßen, wenn sie fremde Häuser betreten, tat sich die Tür leise auf, und ein kleines, sehr gewandtes, bescheidenes und sittsames, aber auch sehr hübsches Dienstmädchen kam zum Vorschein.
    »Vermutlich sind Sie Christoph, Sir?« sagte das Dienstmädchen.
    Kit stand von seiner Truhe auf und bejahte diese Frage.
    »Ich fürchte, daß Sie oft haben läuten müssen«, entgegnete sie; »aber wir konnten Sie nicht hören, weil wir das Pony einfangen mußten.«
    Kit hätte gern gewußt, was sie wohl damit sagen wollte; da er aber nicht unter der Tür stehenbleiben und Fragen stellen wollte, so schulterte er seine Truhe wieder und folgte dem Mädchen in die Halle, von der aus er durch eine Hintertür Herrn Garland erspähte, wie er den Klepper im Triumph den Garten heraufführte, nachdem dieses eigensinnige Pony – wie Kit später erfuhr – die Familie fast zwei volle Stunden um ein kleines Gehege im Hintergrund genasführt hatte.
    Der alte Herr empfing unsern jungen Freund sehr gütig, und das gleiche tat auch die alte Dame, deren gute Meinung, die sie früher von ihm gefaßt hatte, noch sehr durch den Umstand erhöht wurde, daß er seine Stiefel so lange auf der Türmatte abwischte, bis seine Sohlen fast zu brennen anfingen. Er wurde sofort in das Wohnzimmer genommen, damit er in seinen neuen Kleidern beaugenscheinigt werden könnte. Nachdem dies zu verschiedenen Malen geschehen war und er durch sein Äußeres unbegrenzte Zufriedenheit geerntet hatte, wurde er in den Stall geführt, in dem er von dem Pony mit ungemeiner Gefälligkeit empfangen wurde, und von dort aus in das bereits erwähnte Stübchen, das sehr rein und gemütlich war.
    Dann ging es weiter in den Garten, wo ihm der alte Herr sagte, er wolle ihn in die Gärtnerei einführen, und außerdem noch beifügte, was für große Dinge er vorhabe, um Kits Leben behaglich und glücklich zu machen, sobald er fände, daß seine Bemühungen nicht an einen Unwürdigen verschwendet wären. Für all diese Güte zeigte sich Kit sehr erkenntlich, indem er von Dankesworten übersprudelte und so oft an den Hut griff, daß dessen Krempe beträchtlichen Schaden dabei nahm.
Nachdem der alte Herr alles gesagt, was er an Versprechungen und Ratschlägen zu sagen wußte, und Kit dafür gebührendermaßen mit Versicherungen und Erkenntlichkeitsbezeugungen gedankt hatte, wurde dieser abermals der alten Dame überliefert, die nach dem kleinen Dienstmädchen – ihr Name war Barbara – rief und es beauftragte, den neuen Ankömmling mit hinunterzunehmen und ihm nach seinem weiten Wege Speise und Trank zu reichen.
    Kit begab sich also die Treppe hinunter, und im Erdgeschoß bot sich seinen Augen eine Küche, wie er sie höchstens im Fenster eines Spielwarenladens gesehen hatte, so blank und blitzend war alles und so peinlich sauber wie Barbara selbst. Und in dieser Küche setzte sich Kit an einen Tisch, so weiß wie ein Tafeltuch, um kaltes Fleisch zu essen, Dünnbier zu trinken und sein Besteck um so ungeschickter zu handhaben, weil eine unbekannte Barbara zugegen war, die ihm zusah.
    Es hatte übrigens nicht sehr den Anschein, als ob etwas besonders Schreckliches an dieser Barbara wäre, denn da sie ein stilles Leben für sich geführt hatte, errötete sie häufig und war ebenso verlegen und ungewiß, was sie sagen oder tun sollte, als es Kit nur sein konnte. Nachdem er eine Weile dagesessen und dem Ticken der bedächtigen Uhr zugehorcht hatte, wagte er einen neugierigen Blick nach dem Anrichtetisch zu werfen; dort lagen Barbaras kleines, mit einem Schiebdeckel versehenes Arbeitskästchen, in dem sie ihre Fadenknäuel aufbewahrte, Barbaras Gebetbuch, Barbaras Psalter und Barbaras Bibel. Ihr kleiner Spiegel hing in guter Beleuchtung neben dem Fenster, und ihr Hut befand sich an einem Nagel hinter der Tür. Von all diesen stummen Zeichen und Merkmalen ihrer Gegenwart blickte er naturgemäß auf Barbara selbst, die so stumm war wie die genannten Gegenstände, und Erbsen

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