Der Raritätenladen
auslöste, die sie in eine Schüssel gab. Und als Kit eben nach ihren Wimpern
sah und – ganz in der Einfalt seines Herzens – gern gewußt hätte, von welcher Farbe ihre Augen wären, da trug es sich ungeschickterweise zu, daß Barbara eben ihren Kopf ein wenig erhoben hatte, um nach ihm zu sehen; und nun wandten sich beide Augenpaare hastig wieder ab, indem sich Kit über seinen Teller und Barbara über ihre Erbsenschoten beugte, jedes ungemein verwirrt, weil es von dem andern ertappt worden war.
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Als Herr Richard Swiveller aus der ›Wildnis‹ – so hieß Herrn Quilps auserlesenes Schlupfwinkelchen – seinem Heim zusteuerte, freilich in einer etwas krummen und korkzieherartigen Weise, nebst vielem Anprallen und Stolpern, bei welchen Gelegenheiten er plötzlich haltmachte und um sich stierte, dann aber ebenso plötzlich ein paar Schritte vorwärts stürzte, um wieder haltzumachen und den Kopf zu schütteln, lauter Bewegungen, die ruckweise und ohne Vorbedacht geschahen – als Herr Richard Swiveller seiner Wohnung in dieser Weise zusteuerte, die von Übelgesinnten als ein Symbol der Trunkenheit betrachtet wird, ohne daß solche Personen jenen Zustand tiefer Weisheit und Betrachtung in ihr zu erkennen vermögen, dessen sich doch die handelnde Person so innig bewußt ist, da kam ihm der Gedanke, daß er möglicherweise sein Vertrauen am unrechten Orte angebracht habe und daß der Zwerg doch nicht gerade die Person sei, der man ein so zartes und wichtiges Geheimnis anvertrauen durfte. Und durch diesen quälenden Gedanken in eine Stimmung getrieben, die die genannte böswillige Menschenklasse das graue Elend nennen würde, überkam Herrn Swiveller die Anwandlung, seinen Hut auf den Bo
den zu werfen, zu stöhnen und laut zu jammern, er sei eine unglückliche Waise, und wenn er nicht eine unglückliche Waise wäre, so hätten die Dinge unmöglich so weit kommen können.
»In meinem frühesten Alter als ein hilfloses Kind von meinen Eltern zurückgelassen«, sagte Herr Swiveller, sein hartes Geschick beweinend, »in meiner zartesten Lebensperiode in die Welt hinausgestoßen und der Willkür eines trügerischen Zwerges preisgegeben, der sich nun wundern kann über meine Schwäche! Da seht ihr eine unglückliche Waise – ja«, fügte Herr Swiveller bei, indem er seine Stimme zu höchstem Gekreisch steigerte und schläfrig umherblickte, »eine unglückliche Waise!«
»Dann«, entgegnete jemand hart nebenan, »laßt mich Euer Vater sein.«
Herr Swiveller schwang sich hin und her, um das Gleichgewicht zu bewahren, und in dem Nebel, der ihn zu umgeben schien, bemerkte er endlich zwei trübe, zwinkernde Augen, die sich, wie er später entdeckte, in der Nähe eines Mundes und einer Nase befanden. Indem er dann seine Blicke in die Richtung schweifen ließ, in der sich nach der Lage des Gesichts eines Menschen, dessen Beine vermuten lassen, bemerkte er, daß zu dem Gesicht auch ein Körper gehörte. Und bei sorgfältigerer Betrachtung überzeugte er sich, daß die Person Herr Quilp war, der ihn in der Tat die ganze Zeit über begleitet hatte, obgleich Richard Swiveller das dunkle Gefühl hatte, den Ehrenmann eine oder zwei Meilen weiter oben verlassen zu haben.
»Du hast eine Waise betrogen, Mensch!« sagte Herr Swiveller feierlich.
»Ich? Ich bin Euch ein zweiter Vater«, versetzte Quilp.
»Sie mein Vater, Sir?« entgegnete Dick. »Und da ich nie
mand brauche, Sir, muß ich Sie bitten, daß man mich allein läßt, augenblicklich, Sir!«
»Was Sie nicht für ein spaßiger Geselle sind!« rief Quilp.
»Geht, Sir!« erwiderte Dick, indem er sich gegen einen Pfosten lehnte und mit der Hand winkte. »Geh, du Betrüger, geh! Vielleicht wirst einstens du erwachen aus deinem Wonnetraume zum Weh, das dir der Waisen Flüche dann vermachen. Wollt Ihr machen, daß Ihr fortkommt, Musjö!«
Da der Zwerg von dieser Beschwörung keine Notiz nahm, so rückte Herr Swiveller vor in der Absicht, ihm die verdiente Züchtigung angedeihen zu lassen. Aber bevor er ganz nahe an ihn herangekommen war, vergaß er bereits seine Absicht oder änderte seinen Sinn; denn er ergriff Quilps Hand, schwur ihm ewige Freundschaft und erklärte mit einer liebenswürdigen Offenheit, daß sie von Stund an in allem, das persönliche Äußere ausgenommen, Brüder wären. Dann erzählte er noch einmal sein ganzes Geheimnis und wurde bei dieser Gelegenheit sehr pathetisch, als er auf Miß Wackles zu sprechen kam, die, wie er Herrn
Weitere Kostenlose Bücher