Der Raritätenladen
in eine angenehme Stimmung versetzt hatte, kehrte er zu seinem nichtsahnenden Gefährten zurück, der eben mit ungemeinem Ernst auf die Flut hinausschaute und an das Gold und Silber dachte, das Herr Quilp erwähnt hatte.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Der Rest dieses Tages und der ganze darauffolgende waren eine geschäftige Zeit für die Familie Nubbles, da ihr alles, was mit Kits Ausstattung und Abreise in Verbindung stand, ebenso wichtig erschien, als hätte er einen Entdeckungszug in das Innere von Afrika oder eine Reise um die Welt antreten sollen. Schwerlich gab es wohl je eine Truhe, die innerhalb
vierundzwanzig Stunden so oft geöffnet und geschlossen wurde als diejenige, die Kits Garderobe und seine sonstigen Bedürfnisse enthielt; und gewiß gab es nie ein derartiges Möbel, das zwei kleinen Augen eine so reiche Fundgrube von Kleidern enthüllte, als dieser gewaltige Schrein mit seinen drei Hemden nebst einer entsprechenden Anzahl von Strümpfen und Taschentüchern den erstaunten Blicken des kleinen Jakob darbot. Endlich wurde sie zum Fuhrmann gebracht, in dessen Hause zu Finchley sie Kit am andern Tage finden sollte; und als die Truhe fort war, blieben nur noch zwei Fragen zur Beantwortung übrig: erstens ob der Fuhrmann sie nicht unterwegs verlieren oder vielleicht unehrlicherweise vorgeben würde, daß er sie verloren hätte; und zweitens ob Kits Mutter es auch gehörig verstände, während der Abwesenheit ihres Sohnes gut für sich selbst zu sorgen.
»Ich halte es kaum für wahrscheinlich, daß er sie wirklich verlieren könnte, aber Fuhrleute werden oft in die Versuchung geführt, zu behaupten, sie hätten die Sachen verloren«, meinte Frau Nubbles besorgt, als der erste dieser Punkte zur Sprache kam.
»Ganz gewiß«, entgegnete Kit mit ernster Miene. »Beim Himmel, Mutter, ich glaube, es war nicht recht, die Truhe sich selbst zu überlassen! Ich glaube, es hätte jemand mitgehen sollen.«
»Jetzt läßt sichs nicht mehr ändern«, versetzte die Mutter; »aber es war töricht und unrecht. Man sollte die Leute nie in Versuchung führen.«
Kit beschloß in seinem Innern, in Zukunft nie einen Fuhrmann in Versuchung zu führen, außer höchstens mit einem leeren Koffer, und nachdem er hierüber christlich mit sich ins reine gekommen war, wandte er seine Gedanken der zweiten Frage zu.
»Ihr müßt aber den Mut nicht sinken lassen, Mutter, und Euch nicht so verlassen vorkommen, weil ich nicht zu Hause bin. Ich werde Euch gewiß sehr oft besuchen können, wenn ich in die Stadt komme; dann schreibe ich Euch auch bisweilen einen Brief, und wenn das Vierteljahr um ist, kann ich natürlich auch einen freien Tag kriegen. Ich will dann sehen, ob wir den kleinen Jakob nicht mit in die Komödie nehmen und ihm zeigen können, was man unter einer Auster versteht.«
»Ich glaube zwar nicht, daß es eine Sünde ist, wenn man in die Komödie geht; aber ich fürchte es fast«, sagte Frau Nubbles.
»Ich weiß, wer Euch das in den Kopf gesetzt hat, Mutter«, entgegnete ihr Sohn verzweifelt. »Das kommt wieder von Klein-Bethel her. Ich sage Euch aber, Mutter, und bitte Euch darum, geht nicht regelmäßig dorthin; denn wenn ich sehen müßte, wie Euer heiteres Gesicht, das unser Haus immer so erhellt hat, sich in ein grämliches umgewandelt hätte und daß der kleine Bruder dazu erzogen würde, gleichfalls ein grämliches Gesicht zu machen und sich selbst – Gott segne das arme Herz – einen jungen Sünder und ein Kind des Teufels zu nennen – was eigentlich den toten Vater im Grabe beschimpfen heißt –, wenn ich so etwas erleben und mitansehen müßte, daß mir der kleine Jakob kopfhängerisch würde, so täte ich mir das so zu Herzen nehmen, daß ich hinginge und Soldat würde und absichtlich meinen Kopf der ersten Kanonenkugel hinhielte, die ich des Weges kommen sähe.«
»O Kit, schwatz nicht so!«
»Ja, so würde ichs machen, Mutter; und wenn Ihr nicht wollt, daß es mir ganz elend und unbehaglich zumute wird, müßt Ihr die Masche auf Eurer Haube lassen, die Ihr in der letzten Woche halb und halb abzutrennen im Sinne hattet. Könnt Ihr glauben, daß etwas Unrechtes daran ist, wenn
man so heiter aussieht und so heiter ist, als es unsere Armut gestattet? Sehe ich denn in meiner lustigen Art irgend etwas, das mich auffordert, ein schnüffelnder, feierlicher Bursche zu sein, der nur flüstert, der umherschleicht, als könne er nicht anders, und sich nur durch ein höchst widerliches Näseln verständigt? Im
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