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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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haben uns entschlossen hierzubleiben, wenns Ihnen recht ist«, sagte Nell, sich hastig an den Wirt wendend.
    »Ich halte es auch für das Klügste«, versetzte Herr Groves. »Ihr sollt sogleich Euer Nachtessen haben.«
    Demgemäß brachte Herr Groves, nachdem er seine Pfeife ausgeraucht, die Asche ausgeklopft und seinen Dampfapparat sorgfältig mit dem Kopfe nach unten in eine Herdecke gestellt hatte, Brot, Käse und Bier herein, deren Vortrefflichkeit
er himmelhoch pries, und forderte seine Gäste auf, es sich gut schmecken zu lassen und zu tun, als ob sie zu Hause wären. Nell und ihr Großvater aßen nur wenig, denn beide hingen ihren Gedanken nach, und die andern Herren, für deren Konstitutionen Bier eine zu schwache und milde Flüssigkeit war, fanden Trost an Branntwein und Tabak.
    Da Großvater und Enkelin sehr früh am Morgen das Haus verlassen wollten, lag Nell viel daran, das Nachtlager zu bezahlen, ehe sie zu Bette gingen. Da sie jedoch die Notwendigkeit fühlte, ihren kleinen Schatz vor ihrem Großvater zu verbergen, und das Geld wechseln mußte, nahm sie es heimlich aus seinem Versteck hervor, ersah eine günstige Gelegenheit, dem Wirt zu folgen, als er das Zimmer verließ, und reichte ihm die Münze in dem kleinen Schenkstübchen.
    »Wollen Sie so gut sein, mir darauf herauszugeben?« sagte das Kind.
    Herr James Groves war augenscheinlich überrascht; er betrachtete das Geld, ließ es klingen, sah dann auf das Kind und wieder auf das Geld, als hätte er Lust zu fragen, wie sie dazu gekommen wäre. Da jedoch das Geld gut war und in seinem Hause gewechselt werden sollte, dachte er wahrscheinlich wie ein verständiger Wirt, daß ihn das nichts angehe. Jedenfalls zählte er den Überschuß ab und händigte ihn Nelly ein.
    Als sie nach dem Zimmer zurückkehrte, in dem sie den Abend zugebracht hatten, war es ihr, als sähe sie eben eine Gestalt zur Tür hineingleiten. Zwischen der Tür und dem Stübchen, in dem sie das Geld wechseln ließ, lag nur ein langer dunkler Gang, und da sie gewiß wußte, daß niemand, solange sie dort gestanden, ein oder aus gegangen war, kam ihr der Gedanke, sie sei belauert worden.
    Aber von wem? Im Zimmer fand sie dieselben Menschen,
die sie verlassen hatte. Der stämmige Kerl lag auf zwei Stühlen und hatte den Kopf auf seine Hand gestützt, und der schielende Mann ruhte in einer ähnlichen Haltung an der andern Seite des Tisches. Zwischen beiden saß ihr Großvater, der den Gewinner mit einer Art hungriger Bewunderung ansah und an dessen Worten hing, als wäre der Sprecher irgendein höheres Wesen. Sie war einen Augenblick verblüfft und sah umher, ob sie nicht sonst noch jemanden wahrnehmen könne. Nein. Dann fragte sie leise ihren Großvater, ob während ihrer Abwesenheit jemand das Zimmer verlassen hätte.
    »Nein«, sagte er, »niemand.«
    Es mußte also ein Trugbild ihrer Einbildungskraft gewesen sein; und doch war es seltsam, daß sie sich, ohne durch irgendeinen Gedanken vorher darauf gebracht zu sein, diese Gestalt so deutlich hatte vorstellen können. Sie dachte noch immer verwundert darüber nach, als ein Mädchen hereinkam, um ihr in ihr Schlafkämmerchen zu leuchten.
    Der alte Mann verabschiedete sich zu gleicher Zeit von der Gesellschaft, und sie gingen zusammen die Treppe hinauf. Es war ein großes, weitläufiges Haus mit öden Gängen und weiten Treppen, die in dem flackernden Kerzenlicht nur noch trübseliger auszusehen schienen. Sie verließ ihren Großvater in seiner Kammer und folgte ihrer Führerin in eine andere am Ende eines Ganges, zu der man über einige brüchige Stufen gelangte. Diese war für sie hergerichtet. Das Dienstmädchen plauderte eine Weile mit ihr und klagte seine Not. Sie hätte keinen guten Platz, wie sie sagte, denn der Lohn wäre gering und die Arbeit hart. In vierzehn Tagen wollte sie wandern; das Kind könne sie vermutlich nicht anderswohin empfehlen? Tatsächlich fürchte sie, daß eine andere Stelle nach dieser hier schwer zu bekommen wäre, denn das Haus stände in einem sehr zweideutigen Rufe: es würde hier viel zuviel Karten gespielt und
ähnliche Dinge getrieben. Sie müßte sehr im Irrtum sein, wenn einige von den Leuten, die am häufigsten hierherkämen, ganz so ehrlich wären, als sie sein könnten, aber sie möchte es um alles in der Welt nicht gesagt haben. Dann kamen noch einige unbestimmte Andeutungen auf einen verschmähten Liebhaber, der gedroht hätte, Soldat zu werden, schließlich das Versprechen, mit dem frühesten

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