Der Raritätenladen
grimmigen Lächeln. »Es wundert mich, daß Sie sich nicht vor einem fremden jungen Manne schämen.«
»Der fremde junge Mann«, sagte Quilp, indem er Dick Swiveller vorschob, »ist selbst zu empfänglich, um mich nicht zu verstehen. Dies ist Dick Swiveller, mein guter Freund, ein Herr aus guter Familie, mit großen Aussichten, der sich durch jugendliche Unbesonnenheit ein wenig in Verlegenheit gebracht hat und sich nun begnügt, für eine Weile die niedrige Stellung eines Schreibers auszufüllen, niedrig zwar, aber doch hier sehr beneidenswert. Welch eine köstliche Atmosphäre!«
Wenn Herr Quilp im figürlichen Sinne sprach und mit seinen Worten andeuten wollte, die Luft, die Miß Sally atme, sei versüßt und köstlich gemacht durch dieses liebenswürdige Wesen, so mochte er ohne Zweifel seine guten Gründe dafür haben. Wenn er aber von der Annehmlichkeit der Atmosphäre in Herrn Braß' Kanzlei im buchstäblichen Sinne sprach, hatte er jedenfalls einen ganz merkwürdigen Geschmack, denn sie roch dumpf und erdig, war außerdem mit den Düften des Trödelmarktes in Dukes Place und Houndsditch geschwängert und hatte einen ausgesprochenen Geruch nach Ratten und Mäusen nebst einem Anflug von Modrigkeit. Vielleicht mochte auch Herr Swiveller einige Zweifel über deren entzückende Reinheit hegen, denn er schnüffelte ein paarmal und sah ungläubig auf den grinsenden Zwerg.
»Herr Swiveller«, sagte Quilp, »versteht sich recht gut auf jenen Zweig der Agrikultur, der vom Unkraut handelt, Miß Sally, und erwägt klüglich, daß ein halber Laib Brot besser ist als gar keins. Ebenso weislich meint er auch, es sei doch wenigstens etwas, nicht geradezu verhungern zu müssen, und deshalb nimmt er das Anerbieten Ihres Bruders an. Braß, Herr Swiveller ist Ihr Mann!«
»Ich bin sehr erfreut darüber, Sir«, versetzte Herr Braß, »wirklich sehr erfreut! Herr Swiveller darf sich Glück wünschen, Sie zum Freund zu haben. Sie dürfen stolz darauf sein,
Sir, sich der Freundschaft des Herrn Quilp rühmen zu können.«
Dick murmelte etwas von: er brauche keinen Freund, der ihm die Flasche reiche, und ließ auch seine Lieblingsanspielung auf die Schwinge der Freundschaft, die nie eine Feder verliert, fallen; aber seine geistigen Fähigkeiten schienen ganz von dem Anblick von Miß Sally Braß in Anspruch genommen zu sein, denn er stierte sie mit leeren Augen und mit einer Jammermiene an, wovon der ihn beobachtende Zwerg über die Maßen entzückt war. Was die göttliche Miß Sally selbst anbelangt, so rieb sie sich in der Weise der Geschäftsleute die Hände und ging einigemal, die Feder hinter dem Ohr, in dem Amtslokale auf und ab.
»Vermutlich wird Herr Swiveller seinen Dienst gleich antreten können?« fragte der Zwerg, sich rasch an seinen Rechtsfreund wendend, »es ist Montag morgen.«
»Sogleich, wenns gefällig ist, Sir, selbstverständlich«, entgegnete Braß.
»Miß Sally wird ihn in die Gesetzeskunde einführen, in das entzückende Studium des Rechts«, fuhr Quilp fort, »sie wird seine Führerin, seine Freundin, sein ›Blackstone‹, sein ›Coke über Littleton‹, sein ›junger Advokaten bester Geleitsmann‹ sein.«
»Er ist ausnehmend beredt«, sagte Braß mit der Miene eines in Gedanken vergnügten Mannes, indem er, die Hände in seinen Rocktaschen, auf die Dächer der gegenüberliegenden Häuser blickte; »er verfügt über eine nie versagende Kraft des Wortes. Wirklich prachtvoll!«
»In Miß Sallys Gesellschaft und in Betrachtung der poetischen Herrlichkeit des Rechts«, sprach Quilp weiter, »werden ihm die Tage wie Minuten entschwinden. Jene entzückenden Schöpfungen der Dichter John Doe und Richard Roe werden
ihm, wenn ihm einmal das Verständnis für sie aufgeht, eine neue Welt zur Bereicherung seines Geistes und Veredelung seines Herzens öffnen.«
»O prächtig, prächtig! In der Tat prächtig!« rief Braß. »Es ist ein Hochgenuß, ihn zu hören!«
»Wo soll Herr Swiveller Platz nehmen?« fragte Quilp, indem er sich in der Stube umsah.
»Ei, wir kaufen noch einen andern Bock«, entgegnete Braß. »Wir haben nie an die Aufnahme eines Gentlemans in unserm Hause gedacht, Sir, bis Sie so gütig waren, uns einen solchen Vorschlag zu machen, und unsere häuslichen Bequemlichkeiten sind nicht sehr umfassend. Wir wollen uns nach einem gebrauchten Bock umsehen, Sir. Wenn übrigens Herr Swiveller in der Zwischenzeit meinen Platz einnehmen und seine Hand an einer Reinschrift dieses Exekutionsgesuchs
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