Der Raritätenladen
ihrem Kopfe ausgenommen, der stets mit einer braunen Gazeschärpe verziert war – eine Verschönerung, die viel Ähnlichkeit mit den Flügeln des fabelhaften
Vampirs hatte und, ganz nachlässig in die erstbeste Form verschlungen, einen leichten und anmutigen Kopfputz bildete.
So viel von der äußeren Persönlichkeit der Dame Braß. Was ihr inneres Wesen anbelangte, war ihr Geist stark und energisch, denn von früher Jugend auf hatte sie sich mit ungewöhnlichem Eifer dem Rechtsstudium gewidmet, ohne ihren spekulativen Geist auf dessen hohe Dinge zu richten, die so selten vorkommen, sondern sie verfolgte es sehr aufmerksam durch alle die schlüpfrigen Aalwindungen, in denen es gewöhnlich seinen Weg nimmt. Auch hatte sie sich nicht wie viele Leute von großem Verstand auf die Theorie beschränkt oder gar da haltgemacht, wo der praktische Nutzen anfängt; nein, sie konnte in kräftiger und zarter Schrift abschreiben, mit der größten Genauigkeit gedruckte Formulare ausfüllen, mit einem Worte, jede gewöhnliche Arbeit in der Kanzlei ausführen bis hinunter zum Glätten des Pergaments und zum Federschneiden. Es ist kaum zu begreifen, wie sie trotz dieser vereinten Anziehungskräfte noch immer Miß Braß hatte bleiben können; aber mochte sie nun ihr Herz gegen das ganze Geschlecht der Männer gestählt oder vielleicht diejenigen, die um sie gefreit und sie gewonnen hatten, durch die Furcht abgeschreckt haben, daß sie als Rechtskundige gar bald mit jenen besonderen Statuten zur Hand sein konnte, die man gewöhnlich Ehebruchsakte nennt, so viel ist gewiß, daß sie sich noch im Zustande des Zölibats befand und täglich den alten Schreibebock ihrem Bruder Sampson gegenüber einnahm. Und mit gleicher Zuverlässigkeit können wir nebenbei versichern, daß zwischen diesen beiden Böcken bereits viele Leute zugrunde gerichtet worden waren.
Eines Morgens saß Herr Sampson Braß auf seinem Stuhl und kopierte irgendeinen Prozeß, wobei er boshafterweise seine Feder tief in das Papier eindrückte, als schreibe er unmittel
bar auf dem Herzen der Partei, gegen die der Prozeß gerichtet war; und Miß Sally Braß saß auf ihrem Bock, eine neue Feder zur Ausfertigung einer kleinen Rechnung, ihrer Lieblingsbeschäftigung, zuzurichten; und so saßen sie eine Weile schweigend da, bis Miß Braß die Stille unterbrach.
»Bist du bald fertig, Sammy?« fragte Miß Braß, denn ihre zarten weiblichen Lippen wandelten das harte Sampson in Sammy, wie sie überhaupt alles zu mildern pflegten.
»Nein«, entgegnete der Bruder, »aber es wäre alles bereits abgetan, wenn du mir zur rechten Zeit geholfen hättest.«
»O ja, natürlich!« rief Miß Sally, »du bedarfst meiner Hilfe, nicht wahr? Und noch obendrein du, der du dir nun einen Schreiber halten willst!«
»Will ich mir etwa einen Schreiber aus Mutwillen oder zu meinem eignen Vergnügen halten, du aufhetzerischer Schuft?« sagte Herr Braß, indem er seine Feder in den Mund steckte und seiner Schwester boshaft zugrinste. »Warum höhnst du mich, daß ich einen Schreiber halten will?«
Die Tatsache, daß Herr Braß eine Dame einen Schuft nannte, darf weder Verwunderung noch Überraschung erregen; er war aber so daran gewöhnt, sie in der Eigenschaft eines Mannes um sich zu haben, daß es bei ihm allmählich Brauch wurde, mit ihr zu sprechen, als ob sie wirklich ein Mann wäre. Und dieses Gefühl war so vollkommen gegenseitig, daß Herr Braß nicht nur oft Miß Braß einen Schuft nannte oder auch dem Schuft zuweilen ein Adjektivum vorsetzte, sondern daß auch Miß Braß dies als eine sich von selbst verstehende Sache betrachtete und sich ebensowenig dadurch anfechten ließ wie etwa irgendeine Dame dadurch, daß man sie einen Engel nennt.
»Warum höhnst du mich jetzt, daß ich einen Schreiber halten will, nachdem wir doch gestern abend ganze drei Stunden darüber gesprochen haben?« wiederholte Herr Braß, indem er
abermals mit der Feder im Munde grinste wie der Wappenkopf irgendeines Adligen oder eines sonstigen Mannes von Stand. »Ist es meine Schuld?«
»Ich weiß weiter nichts«, versetzte Miß Sally mit einem trocknen Lächeln, denn es war ihr ein Hochgenuß, ihren Bruder reizen zu können, »als daß du besser tun würdest, dein Geschäft aufzugeben, dich aus der Advokatenliste streichen zu lassen und so bald als möglich dich selbst exequieren zu lassen, wenn jeder deiner Klienten uns zwingen sollte, einen Schreiber zu halten, gleichviel ob wir ihn brauchen oder
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