Der Raritätenladen
war doch etwas Gutes, widerwillig und verdrießlich fortzuschreiben, bis die Geduld entschwand, dann das Lineal zu ergreifen und es um den brau
nen Kopfputz sausen zu lassen mit dem Bewußtsein, ihn nach Gutdünken herunterschlagen zu können. Es war ferner etwas Gutes, es zurückziehen und emsig die Nase mit ihm reiben zu können, wenn er glaubte, daß Miß Sally aufblicken würde, und sich dann wieder durch wilderes Schwenken zu entschädigen, wenn es sich herausstellte, daß sie noch ganz vertieft war. Durch diese Mittel beruhigte Herr Swiveller sein erregtes Gemüt, bis die Anwendung des Lineals weniger ungestüm und häufig wurde und er sogar einige aufeinanderfolgende Zeilen schreiben konnte, ohne zu dem genannten Instrument seine Zuflucht nehmen zu müssen, was jedenfalls als ein großer Sieg zu betrachten war.
----
[ 6 ] Braß = Erz.
Vierunddreißigstes Kapitel
Im Laufe der Zeit, d. h. nach einigen Stunden fleißiger Arbeit, kam Miß Braß mit ihrer Aufgabe zu Ende und verkündigte diese Tatsache dadurch, daß sie die Feder an dem grünen Kleid abwischte und eine Prise Schnupftabak aus einer kleinen, runden zinnernen Dose nahm, die sie in ihrer Tasche trug. Sobald sie diese bescheidene Erfrischung eingenommen hatte, stand sie von ihrem Bock auf, knüpfte ihre Papiere mit rotem Zwirn zu einem legalen Paket zusammen, nahm es unter den Arm und verließ das Bureau.
Herr Swiveller war kaum aufgesprungen, um die Aufführung eines wilden Tanzes zu unternehmen, als er in der Fülle seiner Freude, nun wieder allein zu sein, durch das Aufgehen der Tür und das Wiedererscheinen von Miß Sallys Kopf unterbrochen wurde.
»Ich gehe aus«, sagte Miß Braß.
»Sehr gut, Ma'am«, versetzte Dick. »Und beeilen Sie sich
um meinetwillen ja nicht, wieder zurückzukommen«, fügte er innerlich hinzu.
»Wenn jemand in Geschäftsangelegenheiten kommt, so übernehmen Sie die Aufträge und sagen Sie, daß der Herr, der diese Angelegenheit besorgt, nicht zu Hause sei, wollen Sie?« sprach Miß Braß.
»Ja, Ma'am«, entgegnete Dick.
»Ich werde nicht sehr lange ausbleiben«, sagte Miß Braß im Abgehen.
»Tut mir leid, dies zu vernehmen«, erwiderte Dick, als sie die Tür geschlossen hatte, »ich hoffe, Sie finden eine unerwartete Abhaltung, Ma'am. Wenn Sie's einrichten können, daß Sie überfahren werden, Ma'am, natürlich ohne ernsthafte Folgen, um so besser.«
Nachdem Herr Swiveller sein Wohlwollen mit außerordentlichem Ernst geäußert hatte, setzte er sich in den Klientenstuhl, um Betrachtungen anzustellen; dann ging er etlichemal im Zimmer auf und ab und ließ sich wieder in den Armstuhl nieder.
»So bin ich also Brassens Schreiber, wie?« sagte Dick. »Brassens Schreiber und der Schreiber von Brassens Schwester, der Schreiber eines weiblichen Drachen! Sehr gut, sehr gut! Was werde ich wohl nächstens sein? Werde ich wohl bald ein Sträfling in einem Filzhut und in einem grauen Anzuge sein, wie ich mit meiner Nummer, sauber auf meine Uniform gestickt, auf einer Werft umhertrotte und den Hosenbandorden an meinen Beinen trage, ein gedrehtes Schnupftuch darunter, daß er mir die Knöchel nicht wund reibe? Wird's dazu kommen? Genügt das, oder ist es noch zu vornehm? Ganz nach Belieben, du hast natürlich die Wahl.«
Da Herr Swiveller so ganz allein war, darf man wohl annehmen, daß er mit solchen Bemerkungen sein Schicksal oder seine Bestimmung anredete, denn es ist, wie wir aus Präze
denzfällen wissen, eine Gewohnheit aller Helden, ihr Los sehr bitter und ironisch zu verhöhnen, sobald sie sich in einer mißlichen Lage befinden. Dies wird dadurch um so wahrscheinlicher, daß Herr Swiveller seine Worte an die Decke der Stube richtete, die diese körperlosen Wesen nach allgemeiner Vermutung bewohnen, die Schaubühne ausgenommen, wo sie in dem Herzen des großen Kronleuchters sitzen.
»Quilp bietet mir diesen Platz an, den er, wie er sagt, mir zusichern kann«, nahm Dick nach gedankenvollem Schweigen wieder auf, indem er die Einzelheiten seiner Lage eine nach der andern an seinen Fingern abzählte. »Fritz, auf den ich geschworen haben würde, daß er von einer solchen Sache nichts hören wollte, unterstützt Quilp zu meinem größten Erstaunen und drängt mich gleichfalls, sie anzunehmen. Hindernis Nummer eins. Meine Tante auf dem Lande stellt ihre Zuschüsse ein und macht mir die zärtliche Mitteilung, daß sie ein neues Testament aufgesetzt und mich darin ausgelassen habe. Hindernis Nummer zwei. Kein Geld; kein
Weitere Kostenlose Bücher