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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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nicht.«
    »Haben wir einen zweiten Klienten wie ihn?« entgegnete Braß. »Haben wir einen zweiten Klienten wie ihn? Nun, willst du mir das beantworten?«
    »Du meinst einen Klienten mit einem solchen Gesicht?« erwiderte seine Schwester.
    »Mit einem solchen Gesicht!« höhnte Sampson Braß, indem er das Kontobuch herüberlangte und rasch dessen Blätter umschlug. »Sieh her, sieh her, Daniel Quilp, Esquire – Daniel Quilp, Esquire – Daniel Quilp, Esquire – durch das ganze Buch. Soll ich nun all dies verlieren oder einen Schreiber nehmen, den er empfiehlt und von dem er sagt: ›Das ist der Mann für Sie‹, he?«
    Miß Sally würdigte ihn keiner Antwort, sondern lächelte wieder und arbeitete weiter.
    »Aber ich weiß, was dir im Kopf herumgeht«, fuhr Braß nach einem kurzen Schweigen fort, »du fürchtest, nicht mehr die Hand so im Geschäft haben zu können, wie du's bisher gewöhnt warst. Meinst du, ich durchschaue das nicht?«
    »Nun, ich denke, das Geschäft würde ohne mich keine sonderlichen Sprünge machen«, entgegnete seine Schwester ruhig. »Sei kein Narr und reize mich nicht, Sammy, sondern überlege, was du tust, und tu es.«
    Sampson Braß, der in seinem Herzen große Furcht vor seiner Schwester hatte, beugte sich verdrießlich über seine Akten und hörte zu, während sie fortfuhr:
    »Wenn ich bestimmte, daß der Schreiber nicht kommen sollte, so dürfte mir natürlich keiner ins Haus. Du weißt dies recht gut, also sprich keinen Unsinn!«
    Herr Braß nahm diese Bemerkung mit erhöhter Sanftmut auf und murmelte bloß vor sich hin, er sei kein Freund von solchen Späßen, und Miß Sally würde ›ein viel besserer Kerl‹ sein, wenn sie es unterließe, ihn aufzubringen. Auf dieses Kompliment versetzte Miß Sally, sie finde nun einmal Geschmack an einer solchen Belustigung und habe nicht Lust, sich diesen Genuß zu versagen. Da Herr Braß nicht geneigt schien, den Gegenstand weiter zu verfolgen, so beschleunigten beide den Lauf ihrer Federn, und die Unterhaltung hatte ein Ende.
    Während sie so beschäftigt waren, wurde das Fenster plötzlich verdunkelt, als ob eine Person dicht vor demselben stände. Herr Braß und Miß Sally sahen auf, um sich über die Ursache Gewißheit zu verschaffen, als von außen rasch das obere Schiebefenster herabgelassen wurde und Quilp seinen Kopf hereinsteckte.
    »Holla!« sagte er, indem er sich auf dem Fenstersims auf die Zehen stellte und in die Stube heruntersah. »Ist jemand zu Hause? Ist etwas von der Teufelsware hier? Kostets etwas, wenn man des Herrn Braß ansichtig werden will, he?«
    »Ha ha ha!« lachte der Advokat in affektierter Begeisterung. »Ah, sehr gut, Sir! Wirklich ausgezeichnet! Ganz ungewöhnlich! Du mein Himmel, was er für einen Humor hat!«
    »Ist das meine Sally?« krächzte der Zwerg, indem er die schöne Miß Braß beäugte. »Ist es die Gerechtigkeit ohne Augenbinde und ohne Schwert und Waage? Ist es der starke Arm des Gesetzes? Ist es die Jungfrau von Bevis?«
    »Dieses Sprühen von Witz ist bewunderungswürdig!« rief Braß. »Auf mein Wort, es ist ganz außerordentlich!«
    »Die Tür aufgemacht!« sagte Quilp, »ich habe ihn hier. Das ist ein Schreiber für Sie, Braß; das ist eine rare Erwerbung, ein wahres Trumpf-As. Geschwind die Tür aufgemacht, oder wenn ein andrer Advokat in der Nähe ist und zufällig aus dem Fenster sieht, wird er ihn vor Ihren Augen wegschnappen, ja, das wird er!«
    Wahrscheinlich würde der Verlust dieses Phönix unter den Schreibern selbst an einen Nebenbuhler in der Rechtspraxis das Herz des Herrn Braß nicht gebrochen haben; trotzdem aber heuchelte er eine große Behendigkeit, indem er rasch von seinem Sitz aufstand, zur Tür eilte und mit seinem Klienten zurückkehrte, der keine geringere Person als Herr Richard Swiveller einführte.
    »Da ist sie«, sagte Quilp, an der Tür stehenbleibend, indem er seine Augenbrauen in die Höhe zog und Miß Sally anblickte, »da ist das Weib, das ich hätte heiraten sollen, da ist die schöne Sarah, da ist das Frauenzimmer, das alle Reize seines Geschlechts in sich vereinigt und keine seiner Schwächen teilt. O Sally, Sally!«
    Auf diese verliebte Anrede antwortete Miß Braß nur:
    »Blödsinn!«
    »Hartherzig wie das Metall, von dem sie ihren Namen hat«, sagte Quilp. »Warum ändert sie ihn nicht, warum schmilzt sie das Erz [ 6 ] nicht ein und nimmt einen andern Namen an?«
    »Bleiben Sie mir mit Ihrem Unsinn vom Halse, Herr Quilp!« entgegnete Miß Sally mit einem

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