Der Raritätenladen
erproben will, da ich wohl den ganzen Morgen außer Hause sein werde …«
»Gehen Sie mit mir«, sagte Quilp, »ich habe ein paar Wörtchen über Geschäftssachen mit Ihnen zu sprechen. Haben Sie übrige Zeit?«
»Ob ich übrige Zeit zu einem Gange mit Ihnen habe? Sie scherzen, Sir, Sie scherzen mit mir«, versetzte der Rechtsgelehrte, indem er seinen Hut aufsetzte. »Ich stehe zu Diensten, ganz zu Diensten. Meine Zeit müßte in der Tat sehr in Anspruch genommen sein, wenn sie mir nicht gestattete, einen Spaziergang mit Ihnen zu machen. Nicht jeder hat Gelegenheit, Sir, sich an Herrn Quilps Unterhaltung bereichern zu können.«
Der Zwerg warf einen sarkastischen Blick auf seinen erzenen Freund und drehte sich mit einem kurzen, trockenen Husten auf dem Absatze, um Miß Sally Adieu zu sagen. Nach einem sehr galanten Abschiede von seiner und einem sehr kalten, gemessenen von ihrer Seite nickte er Dick Swiveller zu und entfernte sich sodann mit dem Anwalt.
Dick stand in einem Zustande völliger Betäubung an dem Schreibpult und stierte die schöne Sally aus Leibeskräften an, als wäre sie irgendein Wundertier, wie es noch nie erblickt worden. Sobald der Zwerg auf der Straße anlangte, stieg er abermals auf das Fenstersims und sah einen Augenblick mit grinsendem Gesicht in das Bureau hinunter, wie man etwa in einen Käfig hineinzuschauen pflegt. Dick blickte zu ihm auf, ohne jedoch ein Zeichen des Erkennens an den Tag zu legen; und lange nachdem Quilp verschwunden war, stand er noch immer wie festgewurzelt an der Stelle und betrachtete Miß Sally Braß, ohne etwas anderes zu sehen oder an etwas anderes zu denken.
Da Miß Braß sich inzwischen in ihre Kostenzettel vertieft hatte, nahm sie durchaus keine weitere Notiz von Dick, sondern kratzte mit geräuschvoller Feder fort, mit sichtbarem Entzücken die Zahlen ins Papier gravierend und wie eine Dampfmaschine arbeitend. Da stand nun Dick, in einem Zustande stumpfsinniger Verwirrung bald das grüne Kleid, bald den braunen Kopfputz, bald das Antlitz, bald die rasche Feder der Dame betrachtend, neugierig, wie er in die Gesellschaft dieses seltsamen Ungeheuers gekommen, ob nicht alles nur ein Traum sei und ob er je erwachen würde. Endlich stieß er einen tiefen Seufzer aus und begann langsam seinen Rock auszuziehen.
Herr Swiveller entledigte sich also seines Rockes und legte ihn mit großer Sorgfalt zusammen, ohne die Augen von Miß Sally zu verwenden; dann schlüpfte er in eine blaue Jacke mit einer Doppelreihe vergoldeter Knöpfe, die er ursprünglich zu Wasserfahrten bestimmt, diesen Morgen aber als Arbeitsrock mit sich genommen hatte, und noch immer die Blicke auf die Dame geheftet, ließ er sich schweigend auf dem Arbeitsbock des Herrn Braß nieder. Dann erlitt er einen Rückfall
und wurde abermals besinnungslos, wobei er das Kinn auf die Hand stützte und die Augen so weit aufriß, daß es ganz unmöglich schien, er werde sie wieder zumachen können.
Dick sah so lange hin, bis er nichts mehr sehen konnte, senkte dann die Augen von dem schönen Gegenstand seines Erstaunens auf die Seiten, die er kopieren sollte, tauchte die Feder in das Tintenfaß und begann endlich nach langsamen Vorbereitungen zu schreiben. Er hatte jedoch noch keine sechs Worte geschrieben, als er, hinüberlangend, um die Feder aufs neue einzutauchen, zufällig die Blicke wieder erhob, und da war der unerträgliche braune Kopfputz, da war das grüne Kleid, mit einem Wort, da war Miß Sally Braß in all ihre Reize gehüllt und noch schrecklicher als je anzusehen.
Dies ereignete sich so oft, daß Swiveller allmählich zu fühlen begann, wie ihn sonderbare Einflüsse gefangennahmen, schauerliche Begierden, diese Sally Braß zu vernichten, geheimnisvolle Gelüste, ihr den Kopfputz herunterzuschlagen und zu versuchen, wie sie ohne ihn aussähe. Es lag ein sehr großes Lineal auf dem Tisch, ein großes, schwarzes, glänzendes Lineal. Herr Swiveller fing an, sich mit ihm die Nase zu reiben.
Und wie er so die Nase kratzte, das Lineal in der Hand wog und es gelegentlich wie einen Tomahawk kühn schwang – das alles ergab sich in natürlichem Übergang. Bei einigen dieser Schwenkungen kam es Miß Sallys Kopf ganz nahe; die zerrissenen Enden ihres Kopfputzes flatterten in dem dadurch erzeugten Luftzuge; nur noch einen Zoll näher, und der große, braune Knoten lag auf der Erde; aber noch immer arbeitete die nichtsahnende Jungfrau fort, ohne die Augen zu erheben.
Hierin lag nun ein großer Trost. Es
Weitere Kostenlose Bücher