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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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fallenlassen, Tom«, sagte Short. »Ich darf wohl annehmen, daß der Herr da sich nicht besonders daran erbauen wird.«
    »Dann hättet Ihr ihn gar nicht zur Sprache bringen sollen«, entgegnete Herr Codlin, »und ich bitte den Herrn Euretwegen um Verzeihung; denn Ihr seid ein Schwätzer, der sich gerne sprechen hört und sich wenig darum kümmert, was er spricht, wenn ihm nur das Maul geht.«
    Als der Streit ausbrach, war der Gastgeber ganz ruhig geblieben, indem er zuerst den einen, dann den andern seiner Gäste ansah, als lauere er nur auf irgendeine Gelegenheit, eine weitere Frage zu stellen oder auf diejenige zurückzukommen, von der das Gespräch abgelenkt worden war. Aber von dem Augenblicke an, da Herr Codlin Schläfrigkeit zum Vorwurf gemacht wurde, hatte der ledige Herr ein immer größer werdendes Interesse an der Unterhaltung gezeigt, das nun aufs äußerste gestiegen war.
    »Ihr seid die zwei Männer, die ich brauche«, sagte er, »die zwei Männer, die ich gesucht und nach denen ich gespäht habe. Wo ist jener alte Mann und das Kind, von denen ihr sprecht?«
    »Sir …«, entgegnete Short stockend, indem er auf seinen Freund blickte.
    »Der alte Mann und seine Enkelin, die mit euch reisten, wo sind sie? Ich versichere euch, es verlohnt sich wohl der Zeit, davon zu sprechen, weit mehr, als ihr vielleicht glaubt. Sie verließen euch, sagt ihr, bei jenem Pferderennen, soviel ich ent
nehmen kann. Man hat ihre Spur bis zu diesem Platze verfolgt und sie dort verloren. Habt ihr keinen Schlüssel, könnt ihr mir keinen Schlüssel zu ihrer Wiederauffindung in die Hand geben?«
    »Sagte ich nicht immer, Thomas«, rief Short, indem er sich mit einem Blicke höchsten Staunens an seinen Freund wandte, »ich sei überzeugt, daß man nach den beiden Wanderern forschen würde?«
    »Ihr habt das gesagt!« entgegnete Codlin. »Sagte ich Euch nicht immer, jenes liebe gute Kind sei das interessanteste, das mir je vorkam? Sagte ich nicht immer, daß ich die Kleine liebe und ganz in sie vernarrt sei? Das hübsche Geschöpflein, ich meine sie noch zu hören. ›Codlin ist mein Freund‹, sagte sie, und Tränen der Dankbarkeit rieselten ihr aus den kleinen Augen; ›Codlin ist mein Freund‹, sagte sie, ›nicht Short. Short ist wohl ein recht guter Mann‹, sagte sie, ›und ich habe nichts gegen Short; ich darf wohl sagen, daß er es gut meint, aber Codlin‹, sagte sie, ›fühlt für mich, obgleich er vielleicht nicht danach aussieht.‹«
    Diese Worte mit großer Bewegung wiederholend, rieb sich Herr Codlin den Nasenrücken mit dem Rockärmel, schüttelte traurig den Kopf und ließ den ledigen Herrn glauben, daß von dem Moment an, da er seinen lieben jungen Schützling aus den Augen verloren hatte, sein Seelenfriede und seine Glückseligkeit von ihm gewichen seien.
    »Guter Gott!« sagte der ledige Herr, in dem Zimmer auf und ab schreitend, »so habe ich endlich diese Männer nur gefunden, um die Entdeckung zu machen, daß sie mir weder Nachricht geben noch Beistand leisten können. Es wäre besser gewesen, ich hätte von Tag zu Tag in der Hoffnung fortgelebt und sie nie getroffen, als daß ich jetzt meine Erwartungen so vernichtet sehen muß!«
    »Warten Sie einen Augenblick«, sagte Short. »Ein Mann namens Jerry … Ihr kennt Jerry, Thomas?«
    »Oh, redet mir nicht von Jerry«, entgegnete Herr Codlin. »Wie kann ich mich auch nur eine Prise Schnupftabak um Jerry kümmern, wenn ich an das kleine Herzkäferlein denke! ›Codlin ist mein Freund‹, sagte sie, ›der liebe, gute, freundliche Codlin, der immer auf mein Vergnügen bedacht ist! Ich habe nichts gegen Short einzuwenden‹, sagte sie, ›aber mit Codlin stimme ich zusammen.‹ Einmal«, fügte dieser Ehrenmann nachdenkend bei, »nannte sie mich Vater Codlin. Ich meinte, das Herz müsse mir zerspringen!«
    »Ein Mann namens Jerry, Sir«, sagte Short, indem er sich von seinem selbstsüchtigen Kollegen an seinen neuen Bekannten wandte, »der eine Gesellschaft tanzender Hunde unterhält, sagte mir gelegentlich, er habe den alten Herrn in Begleitung eines wandernden Wachsfigurenkabinetts gesehen, dessen Eigentümerin ihm unbekannt war. Da sie uns einmal entwischten und nichts bei der Sache herausgekommen war, so traf ich keine Maßregeln und fragte auch nicht weiter danach, um so weniger, als er den alten Herrn ganz im Lande drunten gesehen hatte. Aber wenn Sie wollen, dann kann ichs ja nachholen.«
    »Ist der Mann in der Stadt?« fragte der ungeduldige ledige Herr.

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