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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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mich freuen, ein paar Worte mit ihm zu sprechen! Aber hören Sie, ich lasse bitten, daß er sogleich komme!«
    Der Kellner machte über diesen Auftrag große Augen, denn der ledige Herr hatte beim Anblick des Zwerges nicht nur ebensoviel Erstaunen als Kits Mutter an den Tag gelegt, sondern sich auch, da er keine Furcht vor ihm hatte, durchaus nicht die Mühe genommen, seinen Abscheu und Widerwillen zu verbergen. Er entfernte sich jedoch und kehrte alsbald mit dem Gegenstande seines Auftrags zurück.
    »Ihr Diener, Sir«, begann der Zwerg. »Ich habe Ihren Boten auf halbem Wege getroffen. Ich dachte, Sie würden mir erlauben, Ihnen meinen höflichen Gruß zu bringen. Hoffentlich befinden Sie sich wohl – sehr wohl ohne Zweifel.«
    Es erfolgte eine kurze Pause, während welcher der Zwerg mit halbgeschlossenen Augen und gerunzeltem Gesicht auf Antwort wartete. Da er keine erhielt, wandte er sich an die zweite Person, die ihm näher bekannt war.
    »Christophs Mutter?« rief er. »Ach, so eine gute Dame, so eine vortreffliche Frau und so reich durch ihren ehrlichen Sohn! Wie befindet sich Christophs Mutter? Ist ihr der Orts- und Luftwechsel gut bekommen? Und ihre kleine Familie und Christoph? Gedeihen sie? Blühen sie? Wachsen sie zu würdigen Bürgern heran, ja?«
    Da Quilps Stimme mit jeder folgenden Frage eine höhere Note der Tonleiter anschlug, so endigte er mit einem schrillen Gequieke, worauf er seine gewöhnliche schüchterne Miene wieder annahm, die, mochte sie nun natürlich oder erkünstelt sein, ein vollständiges Verschwinden jedes Ausdrucks in sei
nem Gesicht bewirkte und es, sofern man es als einen Index seiner Stimmung oder Meinung betrachtete, zu einem völlig weißen Blatt machte.
    »Herr Quilp«, sagte der ledige Herr.
    Der Zwerg hielt die Hand an sein großes Ohr und heuchelte gespannteste Aufmerksamkeit.
    »Wir haben einander schon früher getroffen …«
    »Gewiß!« rief Quilp und nickte. »O gewiß, Sir. Solch eine Ehre und solch ein Vergnügen – es ist beides, Christophs Mutter, es ist beides – läßt sich nicht so bald vergessen. Nein, in keinem Falle!«
    »Ihr erinnert Euch vielleicht, daß ich an dem Tage, als ich in London ankam und das Haus, an dem ich vorfuhr, leer und verlassen fand, von einigen der Nachbarn zu Euch gewiesen wurde und daß ich Euch sogleich besuchte, ohne mir Zeit zur Ruhe oder Erfrischung zu gönnen?«
    »Wie Hals über Kopf das war und doch, welch ein ernstes und energisches Vorgehen!« entgegnete Quilp, in der Weise seines Freundes, des Herrn Sampson Braß, mit sich selber sprechend.
    »Ich fand Euch«, fuhr der ledige Herr fort, »ganz unbegreiflicherweise im Besitz alles dessen, was kurz vorher noch einem andern Manne gehört hatte, und diesen andern, der bis zur Zeit, als Ihr Euch seines Eigentums bemächtigtet, für wohlhabend gehalten wurde, plötzlich zum Bettler verarmt und von Haus und Herd vertrieben.«
    »Wir hatten für unser Verfahren eine Vollmacht, mein guter Sir«, versetzte Quilp, »wir hatten unsere Vollmacht. Sprechen Sie auch nicht von ›vertreiben‹! Er ging aus eignem Antrieb. Verschwand in der Nacht, Sir.«
    »Gleichviel«, sagte der ledige Herr gereizt, »er war fort.«
    »Ja, er war fort«, entgegnete Quilp mit derselben aufreizen
den Ruhe. »Zweifellos, er war fort. Es handelte sich also nur noch um die Frage: wohin? – Eine Frage, die bis zur Stunde noch nicht gelöst ist.«
    »Was muß ich von Euch denken«, erwiderte der ledige Herr, indem er ihn mit strengen Blicken betrachtete, »von Euch, der Ihr, augenscheinlich damals nicht geneigt, mir Auskunft zu geben, ja sogar offenbar hinterm Berge hieltet und Euch hinter allen möglichen Listen, Schlichen und Vorwänden verstecktet, jetzt meinen Tritten nachschleicht.«
    »Ich schliche Ihnen nach?« rief Quilp.
    »Etwa nicht?« entgegnete sein Frager, fast zur äußersten Wut aufgebracht. »Wart Ihr nicht vor wenigen Stunden noch sechzig Meilen von hier in der Kapelle, in die diese gute Frau hier beten geht?«
    »So, sie war also auch dort?« versetzte Quilp vollkommen unbewegt. »Nun, da könnte ich wohl, wenn ich grob sein wollte, sagen: Wie kann ich wissen, daß Sie nicht meinen Schritten nachschleichen? Ja, ich war in der Kapelle. Aber was weiter? Ich habe in Büchern gelesen, daß Pilgrime in die Kirche zu gehen pflegten, ehe sie ihre Reise antraten, um eine glückliche Rückkehr zu erflehen. Weise Leute das! Reisen sind immer sehr gefährlich, besonders auf der Außenseite der

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