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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Kutschen. Räder fliegen ab, Pferde werden scheu, Kutscher fahren zu schnell, und die Kutschen stürzen um. Ich besuche immer die Kirche, ehe ich eine Reise unternehme. Es ist in der Tat stets das letzte, was ich bei solchen Anlässen tue.«
    Es gehörte kein sonderlich großer Scharfsinn dazu, um zu entdecken, daß in diesen Worten Quilps die größte Lüge lag, obgleich man dem Ausdrucke nach, den er seinem Gesicht, seiner Stimme und seinem ganzen Benehmen gab, hätte schwören können, er halte sich mit der ruhigen Festigkeit eines Märtyrers an die Wahrheit.
    »Im Namen alles dessen, das darauf berechnet ist, einen Menschen toll zu machen«, rief der unglückliche ledige Herr, »habt Ihr nicht aus irgendeinem Grunde mein Vorhaben zu dem Eurigen gemacht? Wißt Ihr nicht, zu welchem Zwecke ich hierhergekommen bin? Und wenn Ihr es wißt, könnt Ihr mir keinen Schlüssel an die Hand geben?«
    »Sie meinen wohl, ich sei ein Hexenmeister, Sir?« versetzte Quilp mit einem Achselzucken. »Wenn dies der Fall wäre, dann würde ich mir mein Glück weissagen und es beim Schopfe packen.«
    »Ah! Ich sehe, wir haben uns nichts mehr zu sagen«, entgegnete der andere, indem er sich ungeduldig auf ein Sofa warf. »Seid so gut, uns zu verlassen!«
    »Sehr gern«, erwiderte Quilp. »Sehr gern. Christophs Mutter, meine gute Seele, leben Sie wohl! Angenehme Reise – zurück, Sir. Hm!«
    Mit diesen Abschiedsworten und einem ganz unbeschreiblichen Grinsen in seinen Zügen, das aus allen häßlichen Grimassen zusammengesetzt schien, deren Menschen oder Affen fähig sind, entfernte sich der Zwerg langsam und machte die Tür hinter sich zu.
    »Oho!« sagte er, als er auf seinem eignen Zimmer anlangte und sich mit in die Seite gestemmten Armen auf einen Stuhl setzte. »Oho! Steht es so, mein Freund! Ah?!«
    Er kicherte vor Wonne und hielt sich für den Zwang, den er bis jetzt seinem Gesicht hatte auferlegen müssen, dadurch schadlos, daß er es in die erdenklichsten Metamorphosen der Häßlichkeit verzerrte, schaukelte sich in seinem Stuhle, streichelte gleichzeitig sein linkes Bein und vertiefte sich in gewisse Betrachtungen, deren Hauptinhalt wir hier mitteilen müssen.
    Erst faßte er die Umstände ins Auge, welche ihn hierherzu
kommen veranlaßt hatten. Kurzgefaßt waren es folgende: Als er an dem vorhergehenden Abend in der Kanzlei des Herrn Sampson Braß vorgesprochen hatte, während dieser Herr samt seiner gelehrten Schwester abwesend war, traf er Herrn Swiveller, der gerade in diesem Augenblick mit einem Glas warmen Grog den Aktenstaub hinunterschwemmte und seinen ›Lehm‹ – wie man zu sagen pflegt – etwas reichlich anfeuchtete. Da aber der Lehm an sich betrachtet durch zu vieles Anfeuchten einen etwas schwachen und unsichern Zusammenhang erhält, ehe man sichs versieht, zusammenbricht, Eindrücke nur schwach bewahrt und sein Charakter die Festigkeit und Stärke verliert, so befand sich auch Herrn Swivellers ›Lehm‹, der eine beträchtliche Menge Flüssigkeit in sich gesogen hatte, in einem sehr zusammenhanglosen und schlüpfrigen Zustande, denn die verschiedenen Ideen, welche ihm eingeprägt waren, verloren sehr schnell ihren besondern Charakter und bildeten ein wildes Durcheinander. Unter solchen Umständen kommt es beim menschlichen ›Lehm‹ häufig vor, daß er vor allen Dingen seine Klugheit und seinen Scharfsinn ungemein hoch anschlägt. Und Herr Swiveller, der sich besonders um dieser Eigenschaften willen pries, ersah die Gelegenheit, um anzudeuten, daß er hinsichtlich des im Hause wohnenden ledigen Herrn ganz eigentümliche Entdeckungen gemacht habe, die er übrigens in seinem eignen Busen zu bewahren entschlossen sei und die zu enthüllen ihn weder Folterqualen noch Schmeichelei je verleiten sollten.
    Herr Quilp lobte diesen Entschluß ungemein; und da er sich noch mit demselben Atemzuge bemühte, Herrn Swiveller zu weiteren Andeutungen aufzustacheln, so hatte er bald herausbekommen, daß der ledige Herr im Gespräch mit Kit gesehen worden und daß dies das Geheimnis sei, welches nie an den Tag kommen sollte.
    Aus dieser Mitteilung folgerte Herr Quilp augenblicklich, daß der Mietsmann des Herrn Braß dasselbe Individuum sein müsse, das ihn besucht hatte, und da er durch weitere Nachforschungen seine Voraussetzung bestätigt fand, kam er mühelos zu dem Schlusse, daß der Zweck und der Gegenstand dieses Verkehrs mit Kit zweifelsohne die Wiederauffindung seines alten Klienten und des Kindes sei. Brennend vor

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