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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Begier zu erfahren, was vorgehe, entschloß er sich, über Kits Mutter herzufallen, als die Geeignetste, die am wenigsten seinen Kniffen gewachsen und folglich am ehesten zu den gewünschten Mitteilungen zu verlocken war. Er verabschiedete sich daher plötzlich von Herrn Swiveller und eilte in ihre Wohnung. Da die gute Frau ausgegangen war, erkundigte er sich, wie Kit es kurze Zeit nachher tat, bei einer Nachbarin nach ihr, die ihn in die Kapelle schickte. Er begab sich sofort dahin, um ihr nach Schluß des Gottesdienstes aufzulauern.
    Er war kaum eine Viertelstunde in der Kapelle und schüttelte sich vor innerem Lachen über den Spaß, daß er sich überhaupt hier befand, während seine Augen fromm zur Decke emporgeschlagen waren, als Kit erschien. Wachsam wie ein Luchs, genügte ein einziger Blick, um den Zwerg zu belehren, daß Herr Nubbles in Geschäften kam.
    Dem Anscheine nach, wie wir gesehen haben, ganz in Andacht versunken und eine völlige Teilnahmslosigkeit heuchelnd, beobachtete er dessen Benehmen aufs genaueste, und als Kit sich mit seiner Familie entfernte, schoß er hinterdrein. Schließlich folgte er ihnen bis zu dem Hause des Notars, erfuhr von einem der Postillione den Bestimmungsort des Wagens, und da er wußte, daß in dem nächsten Augenblick aus einer benachbarten Straße eine Nachteilpost nach demselben Orte abfahren würde, eilte er unverzüglich ins Postbureau und nahm einen Sitz oben auf der Kutsche. Nachdem die Wagen im Lau
fe der Nacht zu verschiedenen Malen aneinander vorbeigefahren waren, je nachdem sie längere oder kürzere Zeit haltmachten oder ihre Geschwindigkeit wechselten, erreichten sie fast gleichzeitig die Stadt. Quilp ließ die Chaise nicht aus den Augen, mischte sich unter den Volkshaufen, erfuhr die Absicht des ledigen Herrn nebst deren Vereitelung, und nachdem er sich in den Besitz alles dessen gesetzt hatte, was ihm zu wissen notwendig war, eilte er voraus, erreichte den Gasthof vor ihm, hatte die eben ausführlich berichtete Unterredung und schloß sich in dem kleinen Zimmer ein, in dem er hastig alle Vorgänge rekapitulierte.
    »Steht es so, mein Freund?« wiederholte er, indem er gierig an seinen Nägeln kaute. »Mir traut man nicht, ich werde beiseite geworfen, und Kit ist der vertraute Agent, nicht wahr? Ich werde ihn, fürchte ich, unschädlich machen müssen. Wenn wir sie diesen Morgen getroffen hätten«, fuhr er nach einer gedankenvollen Pause fort, »so wäre ich auf dem Punkte gewesen, einen ziemlich guten Anspruch nachzuweisen. Ich hätte meinen Nutzen dabei finden können. Wären diese psalmierenden Heuchler, der Junge und seine Mutter, nicht, so könnte ich diesen ungestümen Herrn so gemächlich in mein Netz ziehen, wie unsern alten Freund – unsern beiderseitigen Freund, ha ha! – und die glattwangige rosige Nell. Im schlimmsten Fall ist es eine goldne Gelegenheit, die nicht versäumt werden darf. Finden wir sie nur erst, so werden sich auch Mittel bieten, Ihnen etwas von Ihrem überflüssigen Gelde abzuzapfen, mein Herr, solange es noch Gefängnisse, Riegel und Schlösser gibt, um Ihren Freund oder Verwandten wohlbehalten aufzubewahren. Ich hasse diese Tugendreiter!« sagte der Zwerg, ein Glas Branntwein hinunterschüttend und mit den Lippen schmatzend; »ha! ich hasse sie samt und sonders!«
    Dies war durchaus keine leere Prahlerei, sondern ein wohl
überlegtes Eingeständnis seiner wahren Gefühle; denn Herr Quilp, der niemand liebte, war allmählich so weit gekommen, jedermann, der nah oder fern mit seinem zugrunde gerichteten Klienten in Verbindung stand, zu hassen: den alten Mann, weil es ihm gelungen war, ihn zu täuschen und seiner Wachsamkeit zu entgehen, Nell, weil sie der Gegenstand von Frau Quilps Mitleid und beständigen Selbstvorwürfen war, den ledigen Herrn wegen seiner unverhüllten Abneigung gegen ihn, aufs tödlichste aber Kit und seine Mutter aus den bereits erwähnten Gründen. Außer jenem allgemeinen Gefühl des Widerwillens, das von seiner heißen Gier, sich durch diese veränderte Sachlage zu bereichern, unzertrennlich gewesen wäre, haßte Daniel Quilp jeden einzelnen insbesondere.
    In dieser liebenswürdigen Stimmung belebte Herr Quilp sich selbst und seinen Groll durch noch mehr Branntwein, und dann wechselte er sein Quartier, indem er sich in ein obskures Wirtshaus zurückzog, unter dessen Schutz, den ihm die Abgeschiedenheit gewährte, er alle möglichen Nachforschungen anstellte, die zur Entdeckung des alten Mannes und

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