Der Raritätenladen
wieder fort, und zwar gleich jetzt. Ich will gehen und dort wohnen, wo es mir gerade behagt, auf der Werft, in dem Kontorhaus, ja, und ein lustiger Junggeselle sein. Du warst deiner Meinung nach schon eine Witwe. Gott verdamme mich«, kreischte der Zwerg, »ich will im Ernst ein Junggeselle sein!«
»Unmöglich kannst du das wirklich im Sinne haben, Quilp«, schluchzte sein Weib.
»Ich sage dir«, erwiderte der Zwerg ganz entzückt von seinem Plan, »daß ich ein Junggeselle sein will, ein Kerl, der sich um den Teufel nicht kümmert; und ich will meiner Junggesellenwirtschaft in dem Kontorhause einrichten, du sollst dich dann nur unterstehen, mir nahe zu kommen. Und sieh dich
zugleich vor, daß ich nicht wieder zu einer unzeitigen Stunde über dich herfalle; denn ich will zum Spürhund an euch werden und kommen und gehen wie ein Maulwurf oder ein Wiesel. Tom Scott! Wo ist Tom Scott?«
»Hier bin ich, Meister!« rief die Stimme des Knaben, als Quilp das Fenster aufriß.
»Warte hier, du Hund!« entgegnete der Zwerg; »du mußt den Mantelsack eines Junggesellen tragen. Packe ihn zusammen, Frau Quilp! Klopfe die gute alte Dame heraus, daß sie dir helfe; klopfe sie heraus! Holla da! holla!«
Mit diesem Geschrei ergriff Herr Quilp das Schüreisen, eilte damit nach der Schlafzimmertür der guten Dame und hämmerte so kräftig daran, daß Frau Jiniwin in unaussprechlichem Schrecken erwachte, denn sie glaubte nicht anders, als daß ihr liebenswürdiger Schwiegersohn die Absicht habe, sie aus Rache für die verleumdeten Beine zu ermorden. Von dieser Vorstellung überwältigt, hatte sie sich kaum ganz aus ihrem Schlafe aufgerafft, als sie heftig zu zetern anfing und gewiß auch zum Fenster hinaus in das eines Nachbarn gesprungen wäre, wenn sich ihre Tochter nicht beeilt hätte, sie aufzuklären und um ihre Hilfe zu bitten. Etwas beruhigt, als sie hörte, was man von ihr verlangte, kam Frau Jiniwin in einem Flanellunterrocke heraus, und beide – Mutter und Tochter – gehorchten Herrn Quilps Anweisungen in unterwürfigem Schweigen und vor Schrecken und Frost zitternd, denn die Nacht war bereits weit vorgerückt. Zur Erhöhung der Bequemlichkeit seiner eingeschüchterten Untertanen verlängerte der exzentrische Ehrenmann, der das Einpacken seiner Garderobe beaufsichtigte, seine Vorbereitungen so viel als möglich, und nachdem er eigenhändig einen Teller, ein Messer, eine Gabel und einen Löffel, eine Teetasse und andere derartige Küchengeräte beigefügt hatte, schnallte er den Mantelsack zu, nahm ihn auf die
Schulter und marschierte ab, ohne ein weiteres Wort zu sprechen, die Rumflasche, die er nicht ein einziges Mal niedergestellt hatte, noch immer fest unter dem Arm. Sobald er auf der Straße angelangt war, übertrug er seine schwere Last Tom Scotts Obhut, nahm zu seiner Kräftigung einen Schluck aus der Flasche, gab dem Knaben zu der seinigen einen Schlag auf den Kopf und ging sodann bedächtig nach der Werft voraus, woselbst er morgens zwischen drei und vier Uhr anlangte.
»Gemütlich!« sagte Quilp, als er sich nach dem hölzernen Kontorhause getastet hatte und die Tür mit einem Schlüssel, den er immer bei sich führte, öffnete. »Wundervoll gemütlich! Wecke mich um acht Uhr, du Schlingel!«
Ohne weitere zeremoniöse Verabschiedung oder Erörterung packte er seinen Mantelsack, schloß die Tür hinter seinem Begleiter, klomm auf das Pult, rollte sich wie ein Igel auf einem alten Schiffermantel zusammen und lag bald in tiefem Schlafe.
Als Quilp am nächsten Morgen infolge der vorausgegangenen Anstrengung mit Mühe zu der bestimmten Zeit geweckt worden war, befahl er Tom Scott, aus verschiedenen Stücken alten Bauholzes im Hofe Feuer anzumachen und Kaffee zum Frühstück zu bereiten. Um die Mahlzeit reichlicher zu gestalten, vertraute er ihm einige kleine Geldmünzen an, die für den Einkauf von heißen Semmeln, Butter, Zucker, Yarmouths-Bücklingen und andern Küchenartikeln verwendet werden sollten, so daß in wenigen Minuten ein würziges Frühstück auf dem Tische dampfte. An diesem materiellen Troste erquickte sich der Zwerg nach Herzenslust. Und da ihm diese freie Zigeunerwirtschaft, über deren Nützlichkeit er schon oft nachgedacht hatte, weil sie ihm eine angenehme Erlösung von den ehelichen Fesseln und ein prächtiges Mittel bot, Frau Quilp und deren Mutter stets in einem Zustand der Angst und Aufregung zu erhalten, ungemein behagte, so machte er sich dar
an, seine Einsiedelei zu verschönern und
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