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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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war, bemerkte diese Symptome von Unruhe mit einem Entzücken, das aller Beschreibung spottet, und fand eine so selige, geheime Lust darin, wie sie ihm das köstlichste Bankett nicht hätte gewähren können.
    Als hübsche Illustration eines kleinen Charakterzuges von Miß Sally Braß ist es noch erwähnenswert, daß sie, obgleich sie für ihre Person die Unbehaglichkeit der ›Wildnis‹ sehr ungnädig aufgenommen und wahrscheinlich, noch ehe der Tee erschien, Reißaus genommen haben würde, im Moment, als sie die versteckte Unruhe und den Jammer ihres Bruders bemerkte, eine satanische Schadenfreude zeigte und sich auf ihre Weise zu vergnügen anfing. Der Regen stahl sich zwar durch das Dach und träufelte auf ihre Köpfe herunter, aber Miß Braß ließ keinen Klagelaut vernehmen, sondern präsidierte der Teegesellschaft mit unerschütterlicher Ruhe. Während Herr Quilp in lärmender Gastlichkeit auf einem leeren Bierfasse saß, den Ort als den schönsten und behaglichsten in allen drei Königreichen pries und, sein Glas erhebend, auf die nächste, frohe Zusammenkunft an diesem vergnüglichen Plätzchen anstieß; während Herr Braß, dem der Regen in die Teetasse schlug, einen trübseligen Versuch machte, aufgeräumt zu sein und fröhlich zu scheinen, und Tom Scott, der an der Tür unter einem alten Regenschirme saß, sich königlich über dessen Qualen unterhielt und fast vor Lachen zu bersten drohte; während all dies vor sich ging, saß Miß Sally Braß, ohne der Feuchtigkeit zu achten, welche auf ihre zarte Person und ihre schöne Kleidung herunterträufelte, ganz behaglich hinter dem Teetisch, mit grauenhafter Festigkeit und Seelenruhe das Mißbehagen ihres Bruders betrachtend. Sie war in liebenswürdiger
Selbstverleugnung zufrieden, die ganze Nacht hier sitzen und Zeugin seiner Qualen sein zu können, die sein geiziges und kriechendes Wesen ihn ertragen hieß und ihm zu rächen verbot. Und all dies, das müssen wir noch hinzufügen, um die Schilderung vollständig zu machen, obgleich sie in Geschäftssachen durchaus eines Sinnes mit Herrn Sampson war und über die Maßen entrüstet gewesen wäre, wenn er seinem Klienten auch nur das mindeste in den Weg gelegt hätte.
    Als Herrn Quilps laute Heiterkeit aufs höchste gestiegen war, nahm er, nachdem er seinen Diener unter irgendeinem Vorwande entfernt hatte, mit einem Male seine gewöhnliche Weise wieder an, stieg von seinem Fasse und legte die Hand auf den Ärmel des Rechtsgelehrten.
    »Ein Wort«, sagte der Zwerg, »ehe wir fortfahren. Sally, hören Sie mich einen Augenblick an!«
    Miß Sally rückte näher, als wäre sie gewöhnt, mit ihrem Wirte Geschäftssachen zu verhandeln, die nicht einmal von den Lüften gehört werden durften.
    »Ein Geschäft«, sagte der Zwerg, indem er von dem Bruder auf die Schwester blickte. »Ein sehr geheimes Geschäft. Beratets miteinander, wenn ihr wieder allein seid!«
    »Gewiß«, entgegnete Braß, indem er das Taschenbuch mit dem Bleistifte herauszog; »ich will, mit Ihrer Erlaubnis, die Hauptpunkte niederschreiben, Sir. Ganz ungewöhnliche Dokumente«, fügte der Rechtsgelehrte bei, indem er seine Augen an die Decke heftete, »höchst ungewöhnliche Dokumente. Er setzt seine Punkte so klar auseinander, daß es eine Freude ist, sie zu notieren! Ich kenne keinen Parlamentsakt, der sich mit seiner Klarheit messen dürfte.«
    »Ich werde Sie dieser Freude berauben«, sagte Quilp trocken. »Stecken Sie Ihr Buch ein, wir brauchen keine Dokumente! So. Es gibt da einen Burschen namens Kit …«
    Miß Sally deutete durch ein Kopfnicken an, daß sie ihn kenne.
    »Kit?« rief Herr Sampson, »Kit! Ha! Ich habe den Namen schon gehört, erinnere mich aber nicht genau – nicht ganz genau …«
    »Sie sind so langsam wie eine Schildkröte und dickköpfiger als ein Rhinozeros«, entgegnete sein verbindlicher Klient mit einer ungeduldigen Gebärde.
    »Er ist außerordentlich spaßhaft«, rief der gehorsame Sampson. »Auch seine Vertrautheit mit der Naturgeschichte ist überraschend. Ein wahrer Buffo, ganz und gar!«
    Zweifellos wollte Herr Braß hiermit ein Kompliment machen, weshalb man vielleicht vernünftigerweise annehmen kann, daß er Buffon sagen wollte und nur einen Konsonanten verloren hatte. Sei dem übrigens, wie ihm sei, Quilp ließ ihm keine Zeit, sich zu verbessern, sondern er versah dieses Amt selbst, indem er den Kopf des Advokaten etwas unsanft mit dem Handgriff seines Regenschirmes bearbeitete.
    »Was brauchts da eines

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